Nach ein paar extrem enttäuschenden Ablegern mit vielen spielerischen Mängeln, Microtransactions und Live-Service Gehabe treten Bill Rizer und Lance Bean in Contra Nummer 21 (!) der fiesen Red Falcon Terrorgruppe wieder ganz klassisch in den Allerwertesten. Als Contra-Spieler der ersten Stunde habe ich mir das Test-Muster natürlich schon frühzeitig gesichert!
Um eine weitere Nullnummer zu verhindern, verpflichtete Konami für Contra: Operation Galuga erneut die fähigen Damen und Herren von WayForward. Dass die wissen, worauf es bei einem Contra-Spiel ankommt, haben sie bereits 2007 mit dem exzellenten Contra 4 für Nintendo DS bewiesen – neben zahlreichen anderen Spielen dieser Art versteht sich.
Es ist kein Zufall, dass wir im Spieltitel die beiden Buchstaben «OG» zu sehen bekommen. Es soll durchaus beabsichtigt gewesen und ein dezenter Hinweis darauf sein, was das Ziel war. Eine Rückkehr zum Original, zu den glorreichen Tagen der Reihe, die im Jahre 1987 das fortan äusserst beliebte Run-and-Gun Genre begründete. Schon bei der Ankündigung im September 2023 wurde klar, dass dies kein leeres Versprechen ist. Selbstbewusst veröffentlichte Konami Ende Februar noch schnell eine Demoversion, damit sich auch die letzten Zweifel in Luft auflösen. Seitdem hatte ich tatsächlich sowas wie Sabber im Mund! 😋
Contra: Operation Galuga ist eine Neuinterpretation der Ur-Arcade-/NES-Version mit moderner Grafik, neuen Stages, Gegnern, Bossen und Spielmechaniken. Neben Bill und Lance gesellen sich noch 7 weitere, spielbare Charaktere zum Contra Corps., einige davon sogar mit einer individuellen Waffe oder Fähigkeit. Das Bewegungsrepertoire fällt für einen Run-and-Gunner überraschend umfangreich aus. Slide, Double-Jump, Dash (auch in der Luft), sich mit der Grappling-Hook auf andere Ebenen hieven, mit dem Jet-Pack grosse Distanzen im Flug zurücklegen… das ist zwar alles nicht neu, fand aber noch nie den Weg gemeinsam in ein und dasselbe Contra-Spiel.
Neu lassen sich maximal zwei von über 30 Perks ausrüsten. Jene kaufen wir mit Contra-Coins, die wir nach Abschluss eines Levels und je nach geleisteter Performance in mehr oder weniger grossen Haufen auf unser Konto gespült bekommen. Es gibt keine Microtransactions! Ihr müsst also entweder viel oder einfach nur gut spielen, um an die Währung heranzukommen. Was gibt’s dafür? Wir hätten da z.B. aufgelevelte Waffen ab Start, Perks die verhindern, dass wir beim Bildschirmtod unsere Knarre verlieren, Skins oder Musik-Stücke, permanente Upgrades für die Lebensleiste, Extra-Lives, neue Moves und sogar komplett neue Charaktere. Das alles hält die Genre-bedingt eher «repetitive» Arcade-Action frisch und bietet genügend Spielraum für taktisch kluges Geballere. Gerade wenn es um Boss-Kämpfe geht, macht euch die Wahl des richtigen Perks oder der richtigen Waffe das Söldner-Leben ein ganzes Stück einfacher.
Geschossen wird wahlweise klassisch in 8-Richtungen oder mit freien 360 Grad. Mittels R-Trigger bleibt ihr stehen, um genauer zu zielen. Vermisst habe ich eine Art Feststell-Taste, um in eine Richtung zu laufen, während man fixiert in eine Andere ballert. Die 8-Wege Steuerung empfiehlt sich für Joystick-User. Wer ein Joypad nutzt, sollte mit freiem Zielen spielen, was auch ein wenig einfacher ist.
Vor dem Start einer Runde dürfen wir entscheiden, ob wir eine Lebensleiste möchten (die hält 3 Treffer aus) oder ob wir das alte Prinzip bevorzugen, wo bereits ein Treffer den Tod bedeutet. Dazu gibt’s drei Schwierigkeitsgrade und ein paar Kniffe, die Einsteigern die ganze Sache etwas vereinfachen. Alte Hasen wissen, wie schwer die Contra Spiele normalerweise sind und auch «Galuga» macht bereits auf «Normal» klar, wie bockschwer die höhere Spielstufe sein muss. Das ist auch der Fall, zumal die Gegner dann noch schneller schiessen, besser zielen, in grösseren Mengen auftreten oder gar komplett ihre Taktik ändern. Mini-Bosse und fette End-Kanzler warten wie gewohnt mit mehreren Phasen auf und genau die ändern sich auch mit dem gewählten Schwierigkeitsgrad. Der Easy-Mode hingegen ist recht gechillt und ich denke, dass damit auch Anfänger Spass haben werden, zumal auch die Checkpoints human platziert sind. Wer alle Leben in einer Stage aushaucht, braucht nicht mehr von ganz vorne anzufangen.
Wie in jedem Contra sind auch hier die Waffen ein Highlight. Streuschuss, Laser, Flammenwerfer, Grenade-Launcher, Homing-Missiles und das ultraschnelle MG, alle mit unbegrenzt Munition (und ohne Überhitzen!) sind soweit bekannte Contra-Standards. Neu ist, dass sich jede Waffe auf eine Stufe 2 hochleveln lässt. Dazu sammelt man einfach ein weiteres, identisches «Waffen-Symbol» ein, welche praktisch im Sekundentakt in Corps.-Kapseln über den Screen flitzen und abgeschossen werden müssen. Level 2 Waffen haben mehr Power und bringen manchmal sogar neuen Waffen-Eigenschaften mit sich. Schüsse prallen plötzlich von den Wänden ab oder breiten sich von alleine auf weitere Gegner aus. Manchmal ist es taktisch klug, auch mal eine Knarre liegen zu lassen. Ihr dürft nämlich nur maximal 2 davon gleichzeitig bei euch tragen. Sammelt ihr eine weitere ein, fliegt die aktive Gun automatisch aus eurem Inventar.
Das allein ist schon ziemlich cool und würzt die Action mit einer Prise Taktik. Der Clou kommt erst noch; Die bekannten Smart-Bombs gibt es nicht mehr. Stattdessen lassen sich die Waffenstufen "opfern" bzw. überladen, was in einer Smart-Bomb ähnlichen Attake resultiert. Jeder Schiessprügel hat dabei einen ganz eigenen Smart-Bomb-Effekt. Das Plasma-Rifle verlangsamt z.B. für kurze Zeit das Geschehen, das MG verwandelt sich in einen Blasen-Schild, das kurzzeitig vor Beschuss schützt, der Laser wird zu einer Gruppe selbstschiessender Drohnen oder der Streuschuss explodiert in dutzene Projektile, die wild über den Screen wirbeln und alles vernichten. Diese mächtigen Angriffe kommen immer dann zum Einsatz, wenn es brenzlig wird, was spätestens auf Stufe «Normal» eigentlich ständig der Fall ist. Trotzdem sollte man sich deren Einsatz gut überlegen, denn auch hier gilt: Die richtige Smart-Bomb im richtigen Moment entscheidet oft über Leben und Tod und kann euch bei Boss-Kämpfen einen enormen Vorteil verschaffen.
Ihr seht, es gibt viel zu lernen, zu testen und zu experimentieren im neuen Contra, was gleichzeitig den Wiederspielwert der einzelnen Stages erheblich erhöht. Von denen gibt es nämlich nicht allzu viel. Egal ob ihr den Story- oder Arcade-Mode wählt, Levels gibt es 8 Stück und diese führen durch bekannte Contra-Szenarien wie Urwald, Dorf, Labor oder glibberiges Alien-Nest. Hier treffen wir auf altbekannte Gegner-Typen, also eine Art Sammelsurium vergangener Contra-Spiele. Und selbst die Mini-Bosse in der Mitte der Stage oder die Level End-Bosse kommen einem immer wieder bekannt vor. Zumindest teilweise, denn eine einfache Kopie sind sie nicht.
Wirklich Neues gibt's erst in den letzten beiden Stages zu sehen. Wie gewohnt wechselt auch immer wieder mal mittendrin die Perspektive. Da geht’s von rechts nach links, dann von unten nach oben oder manchmal sogar von hinten nach vorn! In Stage 7 erwarten euch riesige Kristalle, die eure Spielfigur verdecken. Ihr könnt aber in der Spiegelung sehen, was ihr gerade tut, einfach spiegelverkehrt. Eine coole Idee, die ich so noch nie gesehen habe und spielerisch richtig knifflig. Zwischendurch nehmen wir wieder auf dem klassischen Hover-Bike Platz und plätten die Red-Falcon Ganoven während haarsträubender high-speed Verfolgungsjagden. Volles Contra-Programm!
Wer sich am Arcade- und Story-Mode die Zähne ausgebissen hat, darf schonmal die Ersatz-Beisser auspacken, denn im Challenge-Mode warten weitere, nervenzermürbende Einsätze wie Speed-Runs mit Time-Limit, No-Hit- oder No-Shot Herausforderungen und erweiterte Bosskämpfe, die euch den Angstschweiss auf die Stirn treiben werden. Selbstverständlich gibt’s auch hier massig In-Game Währung zu verdienen, speziell wenn ihr den Gold-Standard erreicht. Die besten Perks des Spiels kosten ein Vermögen und ihr könnt sie nur hier im Challenge-Mode freischalten, was aber wohl nur den Besten gelingen wird. Ich hab ein paar davon gemeistert und bin währenddessen bestimmt 5 Jahre älter geworden.
Grafisch bekommen wir in Contra: Operation Galuga knackscharfe 4k 3D Optik spendiert, mit flüssigen 60fps versteht sich. Der Soundtrack setzt sich aus Remixes bekannter Contra-Songs und ein paar Neuinterpretationen zusammen. Später könnt ihr sogar OSTs von z.B. der SNES-Version, dem 8Bit NES Contra oder sogar von anderen Konami-Klassikern wie Gradius freischalten. Der "Konami-Code" hat es selbstverständlich auch ins Spiel geschafft.
Wem das jetzt alleine alles zu langweilig erscheint, setzt sich einfach mit bis zu drei weiteren Freunden gemeinsam auf die Couch. Drop-In, Drop-Out KoOp! Grossartig, dass es das wieder gibt, auch wenn es im Quartett zuweilen sehr unübersichtlich und chaotisch zu und her geht. Weniger grossartig ist, dass dafür ein Online-KoOp Modus fehlt. Nun ja, man kann halt einfach nicht alles haben!
Fazit:
Ich hab es bestimmt schonmal erwähnt, denn ich prahle immer gern damit: Contra war 1987 das allererste Arcade-Spiel, dass ich mit nur einem Credit beenden konnte. Geil oder!? Nun, davon konnte ich mir damals freilich nichts kaufen, aber die Buddies hat das schon schwer beeindruckt. 😅 Wir sassen zusammen Stunden vor dem Automaten und haben uns Taktiken ausgedacht, wie wir eine Stage ohne Treffer überwinden oder den End-Boss noch schneller besiegen können. Und genau das meine Freunde ist die Essenz eines Contra Spiels! Schnell, fehlerfrei, taktisch klug und mit Style durch die Level brausen, mit Wind im Haar und dem Geruch von Blei und Rauch in der Nase. WayForward hat dies verstanden und auch nahezu perfekt umgesetzt. Contra: Operation Galuga ist quasi ein Best-Of aller Contra-Spiele der vergangenen vier Jahrzehnte. Ein Schmelztiegel der guten Run-and-Gun Ideen und eine Liebeserklärung an die Contra-Serie. Gegner, Bosse, der Aufbau der Stages, ja sogar der Sound-Effekt des Pausen-Menüs kommt einem bekannt vor. Und trotzdem fühlt sich alles neu an. Viel Fan-Service auf der einen und genug Mut zu neuen (guten!) Ideen auf der anderen Seite. So muss das sein, so macht das Spass! Klar, den Impact eines «Alien Wars» (SNES), «Hard Corps» (Mega Drive) oder gar «Hard Corps: Uprising» (Xbox 360/PS3) hat Operation Galuga heute nicht mehr, was aber weniger an der Qualität oder Präsentation, sondern vielmehr daran liegt, dass wir Arcade-Fans im Jahr 2024 schon so gut wie alles gesehen haben (oder einfach nicht mehr 12 Jahre alt sind). Mir persönlich macht Contra: Operation Galuga auf jeden Fall eine Menge Spass und tut meiner Retro-Ader so richtig gut. Gefühle, die ich bei den letzten paar Ablegern schmerzlich vermisst habe. Well done WayForward, good Job Konami!
Contra: Operation Galuga ist für Nintendo Switch, PlayStation 4 und 5, Xbox One und Series X|S sowie den PC erhältlich. Wir haben uns das Spiel auf der Xbox Series X angesehen. Das frühe Test-Muster stammt von Konami, wofür wir uns herzlich bedanken!
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