Besonders im Bereich der Spiele mit grossen Budgets gibt es nur sehr wenige Titel, die exklusiv auf dem PC erscheinen. Mit der Konsolenversion von Company of Heroes 3 macht Relic Entertainment diese Nische noch kleiner. Viele PC-Spieler sind grosse Fans dieser Echtzeitstrategie-Serie und durften schon im Februar 2023 Hand anlegen. Seither sind ein paar Monate vergangen und die Entwickler haben mit Hochdruck daran gearbeitet, das Spiel für Konsolen und Controller zugänglicher zu machen. Diese Einladung haben wir mit Freude und dem Xbox Controller in der Hand angenommen!
Der 2. Weltkrieg wurde an vielen Fronten geführt und Company of Heroes 3 befasst sich mit zwei der in Games eher weniger repräsentierten davon. Zum einen führt man alliierte Einheiten durch Italien, um das Land von seinen Besatzern zu befreien. Zum anderen liefert man sich in der zweiten Kampagne Gefechte in Nordafrika. Hier übernimmt man die Kontrolle über das deutsche Panzerkorps unter der Aufsicht vom Wüstenfuchs Erwin Rommel, der die Kampfhandlungen auch gleich selbst kommentiert. Das ist zwar äusserst interessant und erfrischend aus spielerischer Sicht, fällt aber zu oft in die Falle des Mythos von Rommel. Bis heute ist er ein grosses Thema unter Forschern und Historikern, gilt er doch, besonders in der nachkriegszeitlichen Propaganda, als unpolitischer Feldführer. Zum grössten Teil wird er im Spiel auch so präsentiert und ein wenig mehr Nuancen in diesem Aspekt wären durchaus angebracht gewesen.
Die Frage aller Fragen ist jedoch: Kann ein so komplexes Echtzeitstrategiespiel überhaupt mit einem Controller funktionieren?
Der Grossteil der Steuerung besteht aus kontextsensitiven Ring-Menüs, die über die Schultertasten angesteuert werden. Man nutzt sie, um Einheiten in Gebäuden zu produzieren oder zu verbessern und um diesen Truppen Befehle zu erteilen. Wählt man mehrere Einheiten gemeinsam, kann man allgemeine Aktionen wie Bewegungen und Angriffe auswählen. Geht man noch tiefer, kann man einzelne Einheiten noch gezielter einsetzen. Mit Ingenieuren platziert man zum Beispiel Minen oder man befehligt gepanzerte Fahrzeuge rückwärts zu fahren, um ihre Schwachstellen besser vor Feindfeuer zu schützen.
Die Steuerung funktioniert und deckt alle gewünschten Funktionen ab. Sie aber nur ansatzweise zu meistern, braucht viel Übung und noch mehr Zeit. Es ist aber vergleichsweise schnell möglich, all seine Einheiten gekonnt von Deckung zu Deckung zu bewegen, Gegner geschickt zu flankieren und an mehreren Schauplätzen gleichzeitig aktiv zu sein. Extrem hilfreich ist dabei die Pause-Funktion im Singleplayer, die schon auf dem PC mit diesem Ableger eingeführt wurde. Mit ihr pausiert man das aktuelle Geschehen komplett und kann eine Reihe von Befehlen aneinanderreihen. Will man seine Infanterie also über ein ganzes Schlachtfeld bewegen, kann man das Spiel kurz einfrieren und Befehle von Deckung zu Deckung geben, welche dann automatisch ausgeführt werden, sobald das Spiel wieder weitergeht. Das ist nicht nur hilfreich für die Steuerung mit dem Controller selbst, sondern gibt einem auch ein wenig Zeit und Raum zum Verschnaufen. Natürlich funktioniert dies nicht, sobald man mit anderen menschlichen Mitspielern im Multiplayer Modus in die Schlacht zieht.
Die Kampagne in Afrika folgt einem gewohnt klassischen Ablauf eines RTS. Man kämpft sich als Panzerkommandant durch lineare Missionen, manchmal eher defensiv, in der Regel aber als überlegener Aggressor. Viele dieser historischen Missionen sind wunderbar und episch inszeniert und es motiviert ungemein, von Szenario zu Szenario zu marschieren. Gleichzeitig dient sie auch fast als erweitertes Tutorial für die deutlich längere und umfangreichere Kampagne in Italien, weshalb es empfehlenswert ist, sie zuerst zu spielen. Der Schauplatz Italien ist nicht nur weniger linear, sondern bietet neben den Echtzeit-Scharmützeln auch noch eine weitere, weit umfassendere, strategische Ebene, was mich persönlich an Grand Strategy Titel wie Total War erinnert. Man hat eine Karte von ganz Italien vor sich und bewegt seine Einheiten durch das ganze Land. Man befreit und erobert Gebiete, hebt feindliche Lager aus, befestigt die eigene Linie und entscheidet sich, an welchen Orten man persönlich aktiv eingreifen will. Dabei gibt es einen amerikanischen und englischen General sowie den italienischen Widerstand, die alle ihre ganz eigenen Vorgehensweisen haben.
Die Story als Ganzes ist zwar klar definiert, die eigenen Entscheidungen beeinflussen aber die eigene Geschichte, die man auf dem Weg zur letzten Mission schreibt, was ein netter Touch ist. Dieser Aspekt funktioniert auch gut, spielerisch tut es das aber weniger. In meinem Durchgang haben die Achsenmächte keinen einzigen Angriff auf mich gestartet, wodurch jegliche defensive Arbeit und Planung komplett unnötig wurde. Es nahm der Grand Strategy definitiv viel von ihrer Grandiosität und dadurch leidet auch stark der Spielspass. Die Nebenmissionen, die sich wie kleine Gefechte anfühlen, finden auf weniger kurierten Maps statt, was jedoch kaum auffällt. Nur zwei oder drei Mal hatte ich das Gefühl, eine Umgebung in dieser oder einer sehr ähnlichen Variante schon gesehen zu haben, die unterschiedlichen Missionsziele kaschieren das aber geschickt.
Neben der kurzen, linearen, deutschen Kampagne und der Grand Strategy in Italien darf man natürlich noch in anderen Modi direkt in die Schlacht ziehen. Zur Auswahl stehen die amerikanischen und britischen Einheiten, die Wehrmacht und das Afrikakorps. Ich persönlich habe zu wenig Erfahrung mit den Vorgängern um wirklich sagen zu können, wie ausbalanciert diese im Mehrspielermodus wirklich sind, sie fühlen sich jedoch schön unterschiedlich an, benötigen ebenfalls viel Übungszeit und bieten damit viel Spielraum zum experimentieren. Wem der Online-Multiplayer zu viel Stress bedeutet, kann auch alleine gegen die KI in die Schlacht ziehen oder sogar mit Freunden noch grössere Schlachten gegen die künstliche Intelligenz austragen. Company of Heroes 3 bietet eine schöne Progression durch seine Modi, mit einer kürzeren Einführungskampagne, dem enormen Umfang von Italien und vielen weiteren Modi im Anschluss.
Technisch kann es dafür nicht ganz überzeugen. Im Performance-Modus gibt es viele unschöne Texturen und Glitches, die vom Kampfgeschehen ablenken. Es wirkt als Ganzes nicht wirklich rund, was besonders in den gross inszenierten Kampagnenmissionen stark auffällt. Entscheidet man sich für den Quality-Modus, leidet wiederum die Bildrate, weshalb es auch hier nicht viel Spass macht, dem Spielgeschehen zuzusehen. Auch einige der Soundeffekte wirken lasch, was überraschend ist, scheinen doch die verschiedenen Einheiten aller Fraktionen sehr detailgetreu und realistisch gestaltet worden zu sein.
Fazit:
Ganz besonders in den ersten Stunden, aber auch immer wieder im späteren Spielverlauf, hatte ich den Gedanken: mit Maus und Tastatur zu spielen, würde mir wohl mehr Spass machen. Wer diese Option aber nicht hat und Bock auf komplexe Echtzeitstrategie im Zweiten Weltkrieg hat, der macht mit der Konsolenversion von Company of Heroes 3 überhaupt nichts falsch. Viele kleinere Dinge im Bereich der Technik oder der KI lassen zwar noch ein wenig zu wünschen übrig und können einem den Spass da und dort ein bisschen verderben. Die Tatsache, dass es sich auf einem Controller mit nur zwei Sticks und einer sehr begrenzten Anzahl an Buttons so gut spielt, ist hingegen ein Zeugnis für sich. Es ist wunderbar zu sehen, dass Relic Entertainment ihr Spiel einem breiteren Publikum zugänglich machen will und mit dieser "Console Edition" ist das für den Moment auch recht gut gelungen.
Company of Heroes 3 ist für PC, Xbox Series X|S und PlayStation 5 erschienen. Wir haben die Xbox Series X Version gespielt. Das frühe Test-Muster stammt von SEGA, wofür wir uns herzlich bedanken!
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