Manche Entwicklerstudios sind bekannt dafür, dass sich all ihre Spiele sehr ähnlich sind. ACE Team aus Chile sind quasi das genaue Gegenteil davon. Mit den Rock of Ages- und Zeno Clash-Serien haben sie, besonders mit ihrem ganz eigenen Stil, einen Namen für sich gemacht. Clash: Artifacts of Chaos ist ein Nachfolger zu Zeno Clash 2, denn es spielt im gleichen Universum und teilt viele Gameplay Elemente. Auf der Xbox Series X haben wir uns in die wunderschön weirde Welt gestürzt, um allen möglichen und unmöglichen Kreaturen aufs Maul zu hauen.
Zenozoik ist eine bunte Welt voller Pflanzen. Himmlische Landschaften laden zum Spazieren und Verweilen ein. Wenn da nicht all die Monster und zwielichtigen Gestalten wären, die nur darauf warten, einem die Nase und alle Knochen zu brechen. Glücklicherweise ist unser Held wider Willen, Pseudo, nicht nur ein Einsiedler, sondern auch ein Martial Arts Profi. Ausserdem ist er, so weit ich das verstanden habe, aus Holz und kann sich andere Körper, bzw. zumindest Teile davon, überstreifen. Eines Tages rettet Pseudo ein süsses, fliegendes Tierchen, das von ihm nur Boy genannt wird. Boy verfügt über anfänglich nur vage erklärte magische Fähigkeiten, welche ihn zum Ziel einer mächtigen Gegnerin machen.
So zusammengefasst klingt alles ganz normal, wie man es von unzähligen anderen Games kennt. Nur ein einziger Blick auf nur eine einzelne Kreatur, unser Protagonist eingeschlossen, zeigt, dass in Clash aber gar nichts ganz normal ist. Das Design, von Pseudo über Boy bis zu jedem Gegner, ist kurz gesagt: weird. Zu viele Arme, zu wenig Augen, ein altes Fass, das einen Körper ersetzt, nichts ist, wie man es erwarten würde. Die Figuren sind ausserordentlich abgefahren, aber es ist immer eine echte Freude auf neue Gesichter (die sich teilweise auf mehreren Köpfen auf einem Körper befinden) zu stossen. Wer diesen Look nicht mag oder es sogar abstossend findet, der wird mit dem Spiel nicht warm werden.
Pseudo ist ein ausgemachter Nahkampfexperte, selbst auf Level 1 am Anfang des Spiels. Zu Beginn muss man eine von drei Grundhaltungen auswählen, die zumindest während den ersten Spielstunden das Gameplay bestimmen. Die Spezialisierungen für Boxer sowie die Haltung für leichte und schnelle Attacken sind selbsterklärend. Als Drittes steht die Speer-Technik zur Auswahl, welche einem zusätzliche Reichweite verleiht. Egal für welche man sich entscheidet, das 3rd-Person Kampfsystem ist schnell und intensiv. Die Souls-Inspiration ist zwar in vielen Aspekten von Clash klar spürbar, die Kämpfe sind aber in einer ganz eigenen Klasse. Nahkampfwaffen sind sehr limitiert und zerbrechen schon nach wenigen Schlägen, weshalb ihr erhöhtes Schadenspotenzial für die richtigen Momente aufgehoben werden sollte. Pseudos Körper ist zum Glück Waffe genug. Schläge und Tritte bedeuten aber auch, dass man nah an seinem Gegenüber dran sein muss. Dodges und Paraden bieten defensive Optionen, die in Kombination mit normalen Angriffen verheerenden Schaden anrichten können. Obendrauf lassen sich Spezialangriffe wie Aufwärtshaken und Sprungkicks freischalten, wodurch das Kampfsystem noch mehr Abwechslung und Tiefe bekommt.
Während der Einstieg verhältnismässig einfach und locker ist, zieht der Schwierigkeitsgrad schnell an. Verkloppt man anfangs noch merkwürdige Vogelviecher und langsame Pflanzenwesen, sieht man sich bald in Konfrontationen mit mehreren Humanoiden (ein Begriff den ich nur sehr lose verwende) die einem unbarmherzig das Fressbrett polieren. Einfach nur auf die Tasten zu hämmern führt kaum zu Erfolg. Man sollte sich mit dem Kampfsystem auseinandersetzen, lernen, wie welche Special Moves ausgeführt werden können, damit man selbst normale Kämpfe einigermassen heil überstehen kann. Hat man genug Schaden ausgeteilt, kann man ausserdem in eine Art Berserkermodus welchseln, wodurch man auf ein zusätzliches Moveset Zugriff hat, das besonders viel Schaden verursacht. Hier gibt es auch das grösste Callback zu Zeno Clash, denn in diesem Modus gibt es einen Wechsel in die Ego-Perspektive, wodurch das Geschehen gleich nochmal intensiver rüber kommt, was ein sehr gelungener Kniff ist.
Ein im ersten Moment wichtiger Teil des Gameplays ist das Ritual, das einzige Gesetz der Welt. Dabei handelt es sich um ein Würfelspiel, das man mit gewissen Gegnern vor einem Kampf spielt. Beide Parteien werfen mehrere Würfel, welche dann im Anschluss mit verschiedenen Modifikatoren erhöht und verkleinert werden. Wer gewinnt, hat entweder einen Vorteil oder gibt seinem Gegenüber einen Nachteil. Prinzipiell ist es eine coole erste Phase eines Kampfes, schlussendlich ist es aber zu 100% ein Glücksspiel. Zwar lassen sich die Würfelergebnisse mit den Modifikatoren stark beeinflussen, wer aber Pech hat und schlecht würfelt, kann einfach nicht mehr gewinnen und darf sich auf einen Nachteil gefasst machen. Diese Phase lässt sich aber auch überspringen, weshalb es nicht allzu schwer ins Gewicht fällt.
Wird man trotz allem Skill und Würfelglück doch einmal aus den Socken gehauen, ist noch nicht alles vorbei. Pseudo verliert nur seinen äusseren Körper und sein eigentliches, hölzernes Inneres hat eine zweite Chance, das Äussere wieder einzusammeln. Es bedeutet aber auch, dass es Nacht wird und das ist noch gefährlicher. Die Anzahl an Gegnern ist höher, sie sind oft stärkere Varianten, bieten gleichzeitig aber auch bessere Belohnungen in Form von Items und Erfahrungspunkten. Hüllenlos zu sein öffnet einem zudem noch neue Türen, denn nur auf diese Weise können Orte erreicht werden, die durch Dornenwände versperrt werden. Wer masochistisch veranlagt ist, kann an Lagern, dem Bonfire-Equivalent, wahlweise auch direkt zur Nacht wechseln. In den Lagern lassen sich Tränke brauen, denn die Standardversion, von welcher man am Anfang nur eine einzelne hat, füllt nur 25% der Gesundheit auf. Mit sammelbaren Pflanzen und Fleisch lässt sich nicht nur die Menge der Heilung erhöhen. Je nach Mischung gibt es Boni für Angriffs- und Verteidigungskraft. Wie zu erwarten, nimmt einen das Spiel dabei nur minimal an die Hand und es liegt an einem selbst Rezepte herauszufinden. Natürlich kann man in Lagern auch seine Werte verbessern, um mehr austeilen und einstecken zu können. Wer einmal in einem Soulslike seine Stats verbessert hat, wird sich wie zu Hause fühlen.
Die grösste Schwäche ist das Leveldesign. Es ist zwar verschachtelt und bietet mit Abkürzungen die oberflächlichen Elemente eines Spiels à la From Software, ist aber zu unübersichtlich und wenig einprägsam. Undead Burg oder der Palast von Boletaria sind zwar auch verschachtelt, die Laufwege und die Architektur sind jedoch erinnerungswürdig. Jede dort geöffnete Abkürzung ist eine Offenbarung, wie das Wiedersehen eines alten Freundes, den man schon zu lange nicht mehr gesehen hat. In Artifacts of Chaos ist es meistens eher verwirrend und erleichtert die Orientierung nur begrenzt. Tief im Menü ist zwar eine Karte versteckt, allzu hilfreich ist sie aber nicht. Sie ist nur oberflächlich und wegen den verwinkelten Arealen bietet sie nur eine sehr dürftige Orientierungshilfe.
Ein Blick auf nur einen Screenshot sollte zwei Dinge klar machen: grafisch wird hier kein absoluter Next Gen Hit geboten, was aber nicht weiter schlimm ist, weil es dieses Defizit locker mit Stil und Einzigartigkeit wieder wett macht. Der Cel-Shading-Look in Kombination mit dem Design von Spielwelt und -figuren ist von Anfang bis Ende extrem eindrucksvoll. Viele der grafischen Effekte lassen sich in den Optionen deaktivieren oder runterschrauben, was aber eine Schande wäre. Der Soundtrack ist ebenfalls exzellent und lässt diese merkwürdige Welt noch heller strahlen.
Fazit:
Wer auf artistische und einzigartige Werke steht, sollte definitiv einen Blick auf Clash: Artifacts of Chaos werfen. Der Look und der Sound sind fantastisch. Das Gameplay an und für sich ist zwar gelungen, es wird einem aber nicht leicht gemacht, Zugang dazu zu finden. Clash ist in vielen Bereichen stumpf um Willen der Stumpfheit. Alleine für seine Merkwürdigkeit würde ich das Spiel am liebsten allen empfehlen. Es zeigt, dass nicht alles High Fantasy, Lovecraftian oder Grimdark sein muss. Spielerisch wird zwar Komplexität geboten, welche aber leider unter vielen unübersichtlichen Schichten verborgen ist.
Wir haben Clash: Artifacts of Chaos auf Xbox Series X gespielt. Das Spiel ist auch für PS4, PS5, Xbox One und PC erhältlich. Das Test-Muster stammt von NACON, wofür wir uns herzlich bedanken!
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