Es muss nicht immer knallen, bis der Bildschirm Überstunden schiebt. Man muss auch einmal die leisen Momenten geniessen, die Seele baumeln lassen und gepflegt chillen ohne wildes Rumballern und pausenloser Destruktion. Was eignet sich besser als eine lauschige Fahrt im Camper?
Dass unsere französischen Nachbarn uns in Sachen Comics und deren Optik meilenweit voraus sind, beweisen Beispiele wie Asterix, Lucky Luke, Valerian, oder die Werke von Edika, Gottlieb und Maester. Oder glaubt jemand, dass Globi oder Ringgi und Zofi da mithalten können? Und auch Caravan Sandwitch setzt auf einen eigenen Grafikstil mit klaren Flächen und Kanten, eingekleidet in unaufdringlichem Cel Shading.
Sauge, unsere rothaarige Hauptakteurin plagt Familienstress. Genauer gesagt erreichte sie eine mysteriöse Nachricht, dass ihre Schwester verschwunden sei. Eigentlich Angestellte in einer Raumstation, kehrt Sauge zu ihrem Heimatplaneten Cigalo zurück, um die vermisste Garance aufzuspüren. Im elterlichen Dorf angekommen treffen wir auf ein paar verbündete NPCs. Wie sich herausstellt, wurden unbekannte Störsender installiert, die es zu deaktivieren gilt. Denn solange diese Frequenz Sperrer senden, fällt auch unsere Rettungsmission flach.
Netterweise bekommen wir einen quietsch gelben Caravan Camper kostenlos gestellt, den Rest müssen wir jedoch selber erledigen. Unsere erste Aufgabe besteht im Absuchen der umliegenden Vegetation und dem Aufspüren spezieller Bauteile, die an übergrosse CPUs erinnern. Unser kompakter Reise Van, der mit seinem 4WD-Antrieb auch steilere Passagen meistert, tuckert Arcade freundlich durch die Pampa und beschleunigt dank eines kurzen Boosts für schnelleres Traversieren.
Per Knopfdruck verlassen wir den Camper und erkunden verlassene Bunker, Flugzeugwracks, Industrieanlagen und geheimnisvolle Höhlen. Sauge klettert problemlos an allen möglichen Kanten hoch, springt beherzt über Abgründe. Verfehlt sie trotzdem die nächste Plattform, erleidet selbst bei Stürzen aus grossen Höhe keinen Schaden. Ein Game Over gibt es nicht, da unsere Heldin nicht sterben kann. In den ersten Minuten treffen wir im waldigen Hinterland auf einige Gebäude, die mit verschlossenen Toren unseren Entdeckerdrang dämpfen. Zum Glück haben wir die benötigten Bauteile schnell zusammen und wir düsen ins Dorf zurück. Schnell wird Sauge klar, dass die unterschiedlich farbigen CPU-Chips bei der ansässigen Automechanikerin gegen neue Upgrades für unseren Van umgetauscht werden können. Als ersten Zusatz verpassen wir unserem Van eine Antenne, die es uns ermöglicht die Umgebung einzuscannen und die Störsender so aufzuspüren.
Ab diesem Punkt steht uns die überschaubare, aber abwechslungsreiche Open World von Caravan Sandwitch offen. Nach den ersten paar Metern blinkt bereits unsere Antenne und der erste Störsender ist nach einer kleinen Kletter- und Sprung Aktion im Assassin Creed Stil kaltgestellt. Im Zuge wird ein Teil der World Map freigelegt und wir erkennen Fahrwege, Gebäude und Standorte der NPCs. Interessante Punkte lassen sich mit einem Icon markieren. Während wir per Scan weitere Bauteile für unser nächstes Upgrade aufspüren, quatschen wir ab und zu mit NPCs und holen uns deren Side-Quests ab. Mal hat ein Baby seine Rassel an einem Strand verloren und wir machen uns auf die Suche danach. Ein Frosch bittet uns um Dokumente, die irgendwo in einem Gebäude versteckt liegen oder wir füttern putzige Licht Gnome mit Pilzen, damit wir sie sicher nach Hause begleiten können.
Bei unserer Erkundungsfahrt werden wir regelmässig von der mysteriösen Sandwitch heimgesucht. Die Wüstenhexe taucht aber immer nur kurz auf, um hinter einer Ecke oder Wand zu verschwinden und uns fragend zurückzulassen. Immerhin bleibt auch sie der pazifistischen Linie des Spiels treu und greift uns nicht mit irgendwelchen Zaubern an. Was es mit der sandigen Kräutertante auf sich hat, deckt sich erst im Verlauf der 6 Kapitel auf und ist nur Story, aber nicht Gameplay relevant. Nach der ersten grossen Fahrt reichen die Chips für die nächsten Upgrades. Wir schalten einen Greifhaken frei, der dicke Türen aus den Angeln reisst und verbuddelte Schatzkisten aus dem Boden zieht. Mit dem Hackscan deaktivieren wir passwortgeschützte Bodenschalter und die metallene Laufkatze lässt uns Ziplines entlang hangeln. Die neuen Tools werden von unserer freundlichen Automechanikerin in einem Cyber Tutorial genauestens erklärt, damit wir auf unserer Mission die Dinger auch problemlos einzusetzen wissen. Denn öfters müssen wir die verschiedenen Mechaniken kombinieren, um die leicht rätsellastigen Anlagen und Gebäude komplett zu untersuchen.
Sollten wir uns zu weit von unserem Camper entfernt haben, genügt ein simpler Button Prompt und wir werden in wenigen Augenblicken zurück in unser Reisebüsschen gebeamt. Bleibt unser Van stecken und wir schaffen es trotz aller Bemühungen nicht aus der Bredouille, wird uns stets die Option geboten, wieder uns zurück zur Dorfwerkstatt zu teleportieren. Dumm nur, wenn dieser zugegebenermassen seltene Vorfall mitten in einer Mission am Kartenende passiert. Beim Erklimmen von Felsen oder Türmen kann es vorkommen, dass wir auf einen Aussichtspunkt stossen, der uns für ein paar Augenblicke die farbenfrohe Optik bestaunen lässt und unverzüglich auf der Karte markiert wird.
Sauge gewaltfreie Rettungsfahrt dauert je nach Spielstil zwischen 6 bis 10 Stunden.
Fazit:
Es gibt Spiele, deren einzigartiger Charme trotz des relativ dünnen Gameplay Korsetts einen in den Bann ziehen. Caravan Sandwitch gehört zu dieser Gruppe. Als grosser Action Fan war ich selber über mich erstaunt, dass ich trotz der absenten Fightmechanik von Sauges Quest bestens unterhalten wurde. Das gemütliche Rumfahren, gepaart mit der grafisch eigenwilligen aber absolut passenden Oberwelt, dem Scannen und dem steten Suchen nach den CPUs, sorgt für gute Stimmung. Zwar musste ich aufgrund fehlender Upgrades gewisse Anlagen mehrmals besuchen, um sie komplett zu säubern, die wiederkehrenden Aha-Effekte sorgten aber für zusätzliche Motivation. Ein kleines Manko ist das fehlende Fast Travel. Minutenlanges zurückfahren zum Dorf hätte man sich sparen oder wenigstens die Option offen lassen können. Zwar geht es theoretisch über den Umweg, die Karre feststecken zu lassen und so den Prompt zu erzwingen. Einen geeigneten Punkt für dieses Manöver zu finden dauert teilweise aber länger, als die eigentliche Rückfahrt. Böse Zungen würden behaupten, dass sich durch diesen Umstand das Spiel künstlich in die Länge zieht. Caravan Sandwitch gehört in die Nische der seltenen Wohlfühltitel. Ohne grosses Tam Tam und Bum Bum wird hier eine liebevolle Geschichte erzählt, die mit technisch sauberem Gameplay und grafischer Detailverliebtheit punktet.
Caravan Sandwitch ist digital für PC, Nintendo Switch und PlayStation 5 erschienen. Wir haben uns das Spiel auf der PS5 angesehen. Das Test-Muster stammt von Dear Villagers, wofür wir uns herzlich bedanken!
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