Wenn man sich die Credits eines modernen AAA-Spiels anschaut, bekommt man hunderte Mitwirkende zu sehen. Dem gegenüber steht ein Projekt wie Bright Memory Infinite, welches - abgesehen vom Soundtrack und Voice Acting - von nur einer Person entwickelt wurde. Spielerisch muss sich dieser stylische Egoshooter nicht vor den Grossen verstecken.
Unsere Protagonistin hört auf den Namen Shelia und arbeitet als Agentin für eine Organisation, die übernatürliche Vorkommnisse untersucht. Als solche soll sie eine Schwarzen Loch genauer unter die Lupe nehmen, das plötzlich am Himmel erschienen ist. Ebenfalls dorthin unterwegs ist ein fieser General mit seinen Soldaten und jeder Menge Feuerkraft. Dem noch nicht genug, denn anscheinend spuckt die Anomalie Krieger und Monster aus längst vergangenen Zeiten aus.
Eine Rolle spielt die Story aber sowieso nicht. Mein erster Durchgang auf dem höchsten verfügbaren Schwierigkeitsgrad dauerte 122 Minuten. Das ist bei Weitem nicht genug Zeit, um irgendeine Charakterentwicklung zu betreiben. Die Geschichte hat zwar interessante Ansätze, kann sich in der kurzen Spielzeit aber nicht entfalten. Das chinesische Setting, das zum Teil echten Orten nachempfunden wurde, ist hingegen erfrischend und äusserst schön in Szene gesetzt.
Was sich toll entfalten kann ist das abwechslungsreiche Ego-Shooter Gameplay. Es ist eine fantastische Mischung aus geschmeidigen Nahkampfangriffen mit Shelias Schwert, super solidem Gunplay und technomagischen Fähigkeiten. Theoretisch kann das ganze Game wie ein klassischer FPS gespielt werden und man würde dabei prima unterhalten werden. Zur Auswahl stehen zwar nur Pistole, Sturmgewehr, Schrotflinte und ein Scharfschützengewehr, aber jede Knarre hat noch einen sekundären Feuermodus. Dadurch wird das Arsenal um weitere, übliche Kandidaten wie, Brand- und Zielsuchgeschosse, Raketen- oder Minenwerfer ergänzt, wodurch genügend Abwechslung geboten wird. Kombiniert man das mit Schwertangriffen, ein paar Power-Moves und der Möglichkeit Attacken zu parieren bzw. Fernattacken zu reflektieren, ergeben sich wirklich stylische Kämpfe. Nichtsahnende Gegner durch die Luft zu juggeln oder mit einer Flammenfaust in Brand zu stecken, setzt dem Ganzen die Krone auf. Das mag sich nach viel Joypadakrobatik anhören, geht aber erstaunlich intuitiv und flüssig von der Hand.
Das einzige Problem an den Kämpfen ist die stumpfe K.I. Egal ob Krieger aus der Antike, Hightech-Soldat oder bildschirmfüllender Boss: sie alle kennen meist nur eine Taktik und rennen uns einfach hinterher. Die Schwierigkeit zu erhöhen sorgt nur dafür, dass Gegner mehr aushalten, was vor Allem Bosse in Kugelschwämme verwandelt, wodurch sie eher zur Geduldsprobe als Skillchecks werden.
Es wird aber noch mehr geboten als nur Standardkämpfe gegen alles mögliche Gesocks. Sprung- und Wandlaufpassagen, ein forcierter Stealth-Abschnitt, in dem man nur eine popelige Nahkampfwaffe hat und sogar eine Fahrsequenz werden in die kurze Spielzeit gequetscht. In einem längeren Spiel könnte dies für Abwechslung sorgen. Hier wirkt es nur irgendwie zusammengewürfelt und unkonzentriert. Ein grösserer Fokus auf weniger Bereiche und Elemente hätte für ein besseres Gesamterlebnis sorgen können.
Absolut erwähnenswert ist die Grafik. Die Power der Unreal Engine in Kombination mit Xianchengs Arbeit und Talent, sorgt für eine beeindruckende Optik. Natürlich könnte ich kleinlich sein und jeden Mangel beanstanden und aufs Korn nehmen. Das Ergebnis ist hier jedoch zu gut und verdient einfach nur jede Menge Lob. Der Soundtrack geht auch voll in Ordnung und die englische Sprachausgabe ist für ein Projekt dieser Grösse ebenfalls akzeptabel.
Fazit Fabrice:
An dieser Stelle muss ich einfach das Folgende wiederholen: Bright Memory Infinite wurde zum grössten Teil von nur einer Person und innert wenigen Jahren entwickelt! Ja, es ist kurz, hat zu viele unterschiedliche Gameplay-Abschnitte und die Intelligenz der Gegner ist höchstens als fragwürdig zu bezeichnen. Gleichzeitig fühlen sich die Kämpfe, also der Kern des Spiels, richtig gut an und die Grafik macht richtig was her. Ob dies einen Kauf auf Konsole zum relativ saftigen Preis rechtfertigt, müssen schlussendlich alle selber entscheiden. Dass es ein äusserst beeindruckendes Projekt ist, sollte aber ausser Frage stehen.
Übrigens: wer den Quasi-Vorgänger Bright Memory auf der Xbox schon besitzt, erhält 20% Rabatt auf den Kauf von Bright Memory Infinite. Auf dem PC war dieses Upgrade sogar gratis. Auf der PlayStation 5 und der Switch ist der erste Teil hingegen leider nicht verfügbar.
Fazit Sascha:
Seit Jahren predige ich, dass sich Entwickler wieder vermehrt linearen Action-Spielen widmen sollten. Es ist dahingehend nicht erstaunlich, dass mir so ein Kurztrip wie Bright Memory Infinite viel mehr Spass gemacht hat, als so manche Multimillionen Dollar Produktion. Erstaunlich hingegen, dass das alles von nur einer Person entwickelt worden sein soll. Hut ab! Klar, es gibt ein paar Ecken und Kanten. Gerade die K.I. glänzt eher mit plumper Aggression als Hirn, dafür kann ich als Spieler meine Taktiken und Skillz so richtig ausleben. Spielerisch ist Bright Memory Infinite ein Hochgenuss und grafisch eine Augenweide! Es ist richtig schade, dass die Sause nach rund 2-3 Stunden schon wieder vorbei ist. Schön, dass die freischaltbaren Upgrades - und das sind einige - in den Level-Select bzw. ins "New Game Plus" übernommen werden. Das motiviert und darum hab ich das Spiel auch gleich zweimal durchgenudelt, um die 1'000 Gamerscore voll zu machen. Das kommt dieser Tage nicht mehr allzu häufig vor und beweist, dass ich mit Bright Memory Infinite einfach richtig viel Spass hatte. Zeng "FYQD" Xiancheng hat sich unseren Award redlich verdient und ich freue mich schon jetzt auf sein nächstes Projekt.
Wir haben Bright Memory Infinite auf Xbox Series X gespielt. Das Spiel ist (digital) auch für PS5, PS4, PC und Nintendo Switch zu haben. Disk-Versionen gibt es nicht. Das Test-Muster stammt von Publisher Playism, wofür wir uns herzlich bedanken!
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