Als ich den riesigen Raum betrete, ergreift mich ein beklemmendes Gefühl. Mit zaghaften Schritten erkunde ich die gewaltigen Gewölbe, welche mich an eine längst verlassene Kirche erinnern. Nervös richte ich meinen Blick auf die Anzahl Erfahrungspunkte, die ich im Falle eines Todes verliere. Die Nummer ist beträchtlich, mir wird immer mulmiger, denn ich glaube zu wissen, was auf mich zukommt.
Kaum ist der Gedanke zu Ende gedacht, erwacht das groteske Biest und attackiert mich wie eine Furie. Aber ich halte mich wacker, kann die abscheuliche Gestalt angreifen und der Lebens-Balken nimmt kontinuierlich ab. Dann will ich zu viel und möchte drei Treffer landen, ein fataler Fehler. Mit nur einem Angriff plättet mich die Abscheulichkeit, der Bildschirm wird schwarz. "You died" flackert in blutroten Buchstaben durch das Bild, der Dämon hat mich besiegt; und das ist okay.
Sterben gehört in Bloodborne zum Alltag, ja sogar zur Erfahrung. Der Clou ist es, das zu akzeptieren, den virtuellen Tod zu begrüssen und daraus zu lernen. Hidetaka Miyazaki, der mittlerweile berüchtigte Schöpfer der Souls Reihe, hat es wieder getan und ein infernal schwieriges Spiel geschaffen, welches ebenso genial wie frustrierend ist. Für Veteranen der Souls Serie sieht Bloodborne erstmal aus wie eine Kopie. Warum nannten sie es nicht einfach Demon’s Souls 2 oder Dark Souls 3? Auf den ersten Blick ist es nicht möglich die Ähnlichkeiten, trotz dem neuen Setting, zu leugnen. Nach wenigen Stunden aber sind die massiven Unterschiede sonnenklar.
Gewohnt kryptisch wird die Geschichte erzählt. Als Schauplatz dient die herunter gekommene viktorianische Stadt Yharnam. Erzählungen zu folge beherbergt die Stadt ein potentes Heilmittel, welches schon unzählige Abenteuerlustige angelockt hat um ihre Beschwerden zu heilen. Ihr schlüpft in die Rolle einer dieser Reisenden nach Yharnam um das Geheimnis endlich zu lüften. Kaum angekommen muss der namenlose Held feststellen, dass die Stadt von einer Pandemie heimgesucht wird, welche die Bewohner in abscheuliche Kreaturen verwandelt hat. Soviel zur Ausgangslage. Die Story wird durch interessante NPCs und Item Bezeichnungen weitergesponnen. Der Plot entfaltet sich so Stück für Stück, kann von jedem Spieler selbst erkundet werden und lässt dabei immer noch Raum zur Interpretation.
Yharnam selbst bietet weitläufige, detaillierte Areale die erkundet werden möchten. Das Feuer der Laternen tanzt im Wind, alte Brunnen plätschern vor sich hin und altehrwürdige Häuser offenbaren ihre Geheimnisse. Der englisch-viktorianische Baustil ist atemberaubend umgesetzt und gäbe es nicht die furchtbaren Bestien auf den Strassen, würde die Metropole zu einer Sightseeing Tour einladen. Die Kreaturen, welche die Pfade säumen, sind ihrerseits ebenfalls schrecklich schön anzusehen. Völlig grotesk und nicht mal in euren schlimmsten Alpträumen erwünscht, trachten die geifernden Wesen nach eurem Leben. Ein Ziel, welches sie Mal um Mal erreichen werden.
Hört sich erstmal nicht nach den besagten Änderungen an, ich weiss; doch im Gameplay kommen die wirklichen Unterschiede zum Vorschein. Während es in den Souls Spielen durchaus möglich war sehr defensiv zu agieren, gilt bei Bloodborne die Devise: Angriff ist die beste Verteidigung. Vorsichtige Spieler, welche sich gern hinter einem riesigen Schild versteckt haben, müssen sich schnell umgewöhnen. Anstatt einem Schild trägt der namenlose Hunter eine Schusswaffe mit sich. In den ersten Stunden hatte ich keine Ahnung was ich mit der Bleispritze anfangen soll. Sie richtet so gut wie keinen Schaden an und benötigt natürlich Munition. Schnell wünschte ich mir das verlässliche Schild zurück. Nach und nach machte sich der Nutzen der Donnerbüchsen aber bemerkbar. Sobald ihr das erste Mal von einem aufgebrachten Mob attackiert werdet erweist sich die Feuerwaffe als äusserst effektiv um die Masse der Gegner in Schach zu halten. Grössere Gegner können mit einem perfekt getimten Schuss in die Knie gezwungen werden, um zu einer verheerenden Attacke anzusetzen.
Kaum habe ich mich ein wenig an mein Schiesseisen gewöhnt, fällt mir ein anderer Grund ein, die Gegner offensiv zu beharken. Wird der Protagonist getroffen und holt sofort zu einem Vergeltungsschlag aus, ist es möglich einen Teil des verlorenen Lebenssaftes zurückzugewinnen. Diese Mechanik zwingt zu einem vorwiegend aggressiven Spielstil und bricht damit ganz bewusst mit einer Tradition der Souls Spiele. Es ist gewöhnungsbedürftig und nicht immer einfach umzusetzen, aber durchaus löblich, dass sich die Entwickler trauen die bewährte Formel auf den Kopf zu stellen. Bloodborne sieht aus wie ein Souls Spiel, hebt sich aber ganz bewusst davon ab. Dieser frische Wind ist nur zu begrüssen.
Dem berüchtigten Schwierigkeitsgrad tun diese Umgestaltungen jedoch keinen Abbruch. Bloodborne ist schwer, niemals unfair aber unerbittlich und manchmal auch ein wenig grausam. Der Reiz liegt aber darin aus den Fehlern zu lernen, die Kontrahenten und deren Angriffsmuster zu studieren und sie schlussendlich zu bezwingen. Einen Bossgegner nach unzähligen Versuchen endlich besiegt zu haben, fühlt sich an wie ein schwer verdienter Orden, welcher über die Playstation üblichen Trophies herausragt und man am liebsten allen Freunden zeigen möchte. Solche Emotionen sind in Videospielen eine Rarität und demzufolge unglaublich motivierend.
Ähnlich wie in Demon’s Souls kehrt ihr immer wieder an ein Zentrum, den "Hunters Dream" zurück. Dort könnt ihr eure hart erkämpften Erfahrungspunkte, hier Blood Echoes investieren, um eure Waffen durchschlagskräftiger zu machen, Items einzukaufen oder die Attribute aufzuleveln. Ebenfalls im Hunters Dream gelangt ihr zu den zufällig generierten Chalice Dungeons. Findet ihr auf eurer Reise durch Yharnam einen dieser Kelche, solltet ihr das erlangte Können unbedingt an einem dieser Arenen austesten.
Als PlayStation 4 exklusiver Titel erhoffte sich die Fachwelt besonders in audiovisueller Hinsicht einiges von Bloodborne. Diese Hoffnungen erfüllen sich weitestgehend, das Spiel sieht sehr sauber aus und kann durch herausragendes Artdesign punkten. Leider gibt es immer wieder Einbrüche in der Framrate, welche niemals so ausarten wie einige Stellen in Dark Souls, aber sie sind dennoch bemerkbar. Auch die Ladezeiten sind ein gewaltiger Dorn im Auge. So dauert es ca. 40 Sekunden bis man nach dem Game Over Schriftzug zum Racheakt ausholen darf, welcher in den allermeisten Fällen weitere 40 Sekunden nach sich zieht. Derweil glänzt Bloodborne in der akustischen Präsentation. Sogar mit geschlossenen Augen wird man in die grausame Welt des Horrors hineingezogen. Verstörte Bewohner kichern irrsinnig, grosse Lagerfeuer züngeln in den Gassen, das Graulen der bizarren Kreaturen ist in der Ferne zu hören. Die schmerzverzerrten Schreie des ersten Bossgegners gingen mir durch Mark und Bein und dieser Moment sollte nicht der letzte gewesen sein. Die Atmosphäre sucht Ihresgleichen und vermag vollends zu überzeugen.
Es ist möglich Bloodborne offline zu erleben, aber es sei jedem ans Herz gelegt, das nicht zu machen. Das Spiel an sich bleibt dasselbe, es gibt keine Orte die offline nicht erreichbar wären. Trotzdem verpassen Spieler die nicht mit dem World Wide Web verbunden sind einiges. Nur online ist es möglich einen anderen Spieler als Hilfe für einen besonders schwierigen Gegner zu holen. Nachrichten von anderen Weggefährten in Yharnam sind ebenfalls nur sichtbar wenn die Konsole mit dem Internet verbunden ist. Bloodborne wäre aber kein Spiel von Miyazaki, wenn es bei Vorteilen keine Kehrseite der Medaille gäbe. Das Risiko besteht jederzeit, dass die eigene Spielwelt von einem Eindringling heimgesucht werden kann. Egal ob bei einem Bosskampf oder gleich neben der Sicherheit einer Speicherlampe. Oftmals handelt es sich dabei um versierte Spieler welche häufig als Sieger in ihre eigene Welt zurückkehren. Der Nervenkitzel, ein Duell gegen einen Kontrahenten aus Fleisch und Blut gewinnen zu können, macht den verlorenen Fortschritt aber locker wett.
Fazit:
Bloodborne ist alles und noch viel mehr, als ich mir gewünscht habe. Es hebt sich gekonnt von seinen spirituellen Vorgängern ab um einzigartig zu sein. Gleichzeitig bietet es aber genug Vertrautes, um sich als Veteran wohl zu fühlen. Bloodborne ist ein wundervolles Spiel, welches auf bewundernswerte Art und Weise Angst und Triumph zu einem hervorragenden Abenteuer verschmelzen lässt. All denen die mutig genug sind um sich darin zu vertiefen, bietet Bloodborne eine Erfahrung die leider viel zu selten geworden ist.
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