Mit Aufbausimulationen ist das so eine Sache: Neben den grossen Namen wie SimCity, Cities: Skylines, Siedler und Anno gibt es leider nicht viele Vertreter des Genres. Letzteres bekommt nun endlich Zuwachs. BlueByte und Ubisoft haben sich wieder zusammengesetzt und Anno 1800 geschaffen. Wie der Titel verrät, spielen wir in der Vergangenheit, diesmal inklusive den Feedbacks der Fans, welche über die Plattform Anno Union gesammelt wurde. Ob sich die Zusammenarbeit gelohnt hat, erfahrt ihr nun in unserem Test.
Mit dem bereits siebten Teil der Anno-Reihe geht es zeitmässig wieder zurück aus der Zukunft ins 19. Jahrhundert, dem sogenannten "Zeitalter der industriellen Revolution". Dies bedeutet jede Menge neue Möglichkeiten wie Elektrizität, Fabrik- und sogar den Eisenbahnbau. Beginnen wir aber im Kleinen. Wie es für die Reihe üblich ist landen wir auf der ersten Insel, eröffnen einen Kontor und kümmern uns um Häuser und die ersten Rohstoffe. Kenner werden sich sofort zu Hause fühlen. Der Einstieg geht einfach von der Hand, schnell hat man die erste, kleine Siedlung aus dem Boden gestampft. Wie es im Leben so ist: Wer mehr will, muss mehr dafür tun. So sehen es auch unsere Bürger. Mit dem Wachstum der Gesellschaft, wachsen auch die Bedürfnisse der Leute, was wiederum neue Güter verlangt. Genau dieser Wirtschaftskreislauft ist es, der wieder stundenweise an den Bildschirm fesselt.
Ziel ist es, die nächst höhere von insgesamt fünf Bevölkerungsstufen zu erreichen. Bald ist mehr nötig, als nur eine Insel auszubauen und zu bevölkern. Nicht jede Insel bietet dieselben Ressourcen und irgendwann ist einfach kein Platz mehr da um weiter zu expandieren. Dann ist es an der Zeit mit dem Schiff weitere Ländereien und die „neue Welt“ Südamerika zu entdecken. Handelsrouten müssen erstellt werden, um exotische Waren übers Meer zu verschiffen. Die Zeit läuft auf allen Inseln in Echtzeit ab, genau wie eine Wirtschaft-Simulation funktionieren soll. Gefechte gibt es nur noch auf dem Wasser mit Piraten, anderen Spielern oder KI-Gegnern. Ob dieser Entscheid nun gut oder schlecht ist, wird wohl jeder Spieler anders sehen. Eine Insel kann auch mit Schiffen direkt am Hafen solange angegriffen werden, bis sie aufgibt.
Für zusätzliche Komplexität gibt es einige Erneuerungen, die frischen Wind ins Gameplay bringen. Ich vermute, dass hier auf einige Inputs von Fans eingegangen wurde. Mit sogenannten „Buff-Gebäuden“ und Artefakten, erhält man zusätzliche Vorteile im Aufbau oder zum Beispiel mehr Fruchtbarkeit in der Spielwelt. Neben den einfachen Handwerkern bringen neu, andere Berufsgruppen, wie Ingenieure und Investoren, weitere Fähigkeiten ins Spiel. Es ist hier wichtig, die Bevölkerungsschichten im Auge zu behalten, denn auf die richtige Durchmischung kommt es an. Eine neue und nette Abwechslung sind kleine Minispiele, sogenannte Expeditionen, welche mit der „neuen Welt“ zur Verfügung stehen.
Das ganze läuft ähnlich wie ein Text Adventure ab. Wer in den verschiedenen Situationen richtig reagiert und zuvor sein Expeditionsschiff passend ausgestattet hat, kommt mit fetter Beute nach Hause. Ein Artefakt oder auch ein neues Tier, das man in seinem Zoo präsentieren kann, macht die Stadt attraktiver und sorgt für mehr und zufriedenere Bürger.
Apropos attraktiv: Grafisch macht Anno 1800 alles richtig. Überall passiert etwas und die vielen Details werden realistisch dargestellt. Ein Must-have ist (für mich) auch der Wuselfaktor. Auch hier gilt, wer’s noch schöner haben möchte, muss die entsprechende Hardware mitbringen. Eine weitere Idee, die den Weg in das Spiel gefunden hat, ist eine Art Skillsystem. Je mehr Einfluss man hat, desto mehr Boni erhält man, die für mehr Erfolg bei Expeditionen oder kostenlose Arbeitskräfte eingesetzt werden können. Einfluss generiert man wiederum mit den Investoren oder über die Zeitung. Ihr seht, es gibt jede Menge zu tun, speziell im Endlosspiel.
Natürlich darf aber auch die Kampagne nicht fehlen. Und ja, es ist tatsächlich möglich auch in einem Aufbauspiel eine gute Story einzubauen. In der Kampagne von Anno 1800 geht es um das Erbe des verstorbene Vaters und den damit verbundenen Problemen in der Familie. Erzählt wird die Geschichte ebenfalls in der isometrischen Perspektive. Als einziger Wermutstropfen muss erwähnt werden, dass die Geschichte schon fertig ist, bevor man das Endgame wirklich erreicht. Zwar darf nach dem Ende normal weiter gespielt werden, aber es wäre schön gewesen, wenn die Kampagne erst mit der letzten Bevölkerungsstufe endet.
Wer immer noch nicht genug hat, darf sich in den Mehrspielermodus für bis zu vier Spieler einloggen und zusammen oder gegeneinander die Welt besiedeln. Später soll auch noch ein Koop-Modus für zwei Spieler nachgereicht werden. Ausserdem sind bereits drei DLCs angekündigt, welche natürlich auch als Season Pass erhältlich sind. Im ersten Paket „Gesunkene Schätze“ gilt es (wie der Name schon sagt) Schätze mit einer Tauchglocke vom Meeresgrund zu bergen. Danach folgt „Botanica“, in dem neben Zoo und Museum als weiteres, modulares Gebäude ein botanischer Garten gebaut werden darf. In der letzten Erweiterung „Die Passage“ erforscht und besiedelt man bei klirrender Kälte den Polarkreis. Hier hoffe ich vor allem optisch auf Neuerungen, denn ein Wechsel von Jahreszeiten und Terrain fehlt dem Hauptspiel leider.
Fazit:
Endlich neues Futter für Fans der schönen Inselbesiedlung. Die Entscheidung zurück in die Vergangenheit zu gehen und dafür das 19. Jahrhundert zu wählen, war eine Ausgezeichnete. Dieses Zeitalter bringt neue Rohstoffe, Fabriken, Elektrizität und die Eisenbahn mit sich. Das bekannte Anno-Spielkonzept bleibt, wird aber mit frischen Ideen aufgelockert. Wo gibt es in einer Simulation schon "Buff-Gebäude" und die Möglichkeit auf zwei Kontinenten gleichzeitig (in Echtzeit) zu bauen? Dazu kommen die bekannten diplomatischen Möglichkeiten, kleine Minispiele und Aufgaben, die einem zusätzliche Boni bringen und das alles in einer wunderschönen Spielwelt. Zu oft fehlt einem die Zeit, einfach zurück zu lehnen und dem Treiben zuzusehen. Zuviel gibt es zu tun und selbst wenn man „nur noch Fünf Minuten“ spielen möchte, lassen einem die Möglichkeiten schnell eine weitere Stunde vor dem PC verbringen. Die Kampagne ist zwar eine nette Dreingabe, aber das Herzstück ist und bleibt das Endlosspiel. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass die angekündigten Erweiterungen das Niveau des Grundspiels halten können.
Commenti