Ich liebe Horror! Filme, Serien, Literatur in jeglicher Form und selbstverständlich Games. Womit ich jedoch aus unklaren Gründen nicht gut klar komme sind Spiele, in denen ich mich gegen das Böse nicht verteidigen kann. Immer nur zu fliehen, um mich irgendwo zu verstecken, macht mir nicht nur eine Scheissangst, sondern langweilt mich auch. Es ist aber vor allem der pure Terror, dass ich mich nicht wehren kann, da muss ich schon ehrlich sein. Ihr könnt euch also sicher vorstellen wie gross meine Freude war, als mir unser Sascha gesagt hat, dass er jemanden für einen Test zu Amnesia: The Bunker braucht. Die Entwickler Frictional Games sind doch nur die modernen Quasi-Begründer dieses spezifischen Untergenres. Was kann dabei schon schief gehen?
Stellt euch das Folgende vor: Ihr seid in einem aktiven Kriegsgebiet im 1. Weltkrieg und das ist nicht euer grösstes Problem. So geht es nämlich dem französischen Soldaten Henri. Gerade noch hat er seinem besten Freund das Leben gerettet, als er ohne weitere Erinnerungen mit einem heftig brummenden Schädel in einem Bunker aufwacht. Glücklicherweise ist es der eigene Bunker. Unglücklicherweise ist der, scheinbar, von Henri abgesehen, komplett menschenleer. Kurz darauf begegnet er einem schwer verwundeten Kameraden, hurra! Doch dieser bittet unseren Protagonisten darum, ihn zu erschiessen, bevor “es” ihn erneut erwischt. Natürlich passiert genau das und der Soldat wird von irgendeinem Biest gepackt, verschleppt, und den furchtbaren Schreien zufolge wohl auch zerfleischt. Also ist Henri im Bunker mit einem Monster eingesperrt, denn der Ausgang scheint gesprengt worden zu sein.
Ein Horrorspiel im 1. Weltkrieg anzusiedeln ist zwar nicht mehr einzigartig, aber immer noch frisch und interessant. Die Atmosphäre ist absolut phänomenal. Der dunkle Bunker mit seinen engen Gängen, kleinen Räumen und vielen Sackgassen ist eine fantastische Spielwiese für ein übernatürliches Versteckspiel. Dieser Ort sorgt ausserdem schon von der ersten Minute an für ein mulmiges Gefühl. Man weiss nie, was einen hinter der nächsten Tür oder Ecke erwartet. Ausserdem tobt draussen weiterhin eine Schlacht und immer wieder wird der Bunker durch Artillerieschläge durchgeschüttelt, wodurch die Lichter flackern und womöglich die Geräusche eines tödlichen Monsters übertönen. Amnesia: The Bunker macht einen guten Job, diese drückende Atmosphäre über die ganze Spieldauer von gut fünf bis sechs Stunden aufrechtzuerhalten. Selbst nach mehreren Begegnungen mit dem Biest bleibt es furchteinflössend.
Im Gameplay-Department orientiert sich The Bunker viel mehr an beispielsweise Alien: Isolation als an seinen eigenen Vorgängern oder SOMA. Es gibt nur ein Monster, das Beast, das einen das Spiel über stalkt und ans Leder will. Das ist aber bei Weitem nicht der einzige Unterschied dieses Serienablegers. Es ist eine Mischung aus Survival-Horror und Immersive-Sim. Man findet nicht nur früh im Spiel eine Pistole, sondern stösst zum Beispiel auf Splitter- oder Gasgranaten. Diese können zwar durchaus zur Abwehr des Monsters genutzt werden, sind jedoch noch viel mehr Werkzeuge, um mit der Umgebung zu interagieren. Findet man eine verschlossene Holztür, gibt es in der Regel immer mehrere Wege um in den Raum dahinter zu gelangen: Schleppt man ein explosives Fass aus einem anderen Raum und jagt es mit einer Kugel hoch? Braucht man eine seiner wenigen Granaten? Sucht man irgendwo nach einem Ziegelstein um sie aufzubrechen oder irgendwo sonst in der Anlage nach einem weiteren Zugang, den man ohne Lärm zu machen nutzen kann? Ressourcen sind nämlich stark begrenzt und oft nicht leicht zu finden. Es gilt immer genau abzuwägen, wie man sein immer kleiner werdendes Arsenal nutzen will, denn es könnte lange dauern, bis man weiteren Nachschub findet. Alle nicht für die Story relevanten Gegenstände, wie zusätzliche Munition, sind ausserdem in jedem Playthrough zufällig platziert, weshalb man auch bei weiteren Playthroughs nicht zu 100% planen kann, wie man vorgehen will.
Noch wichtiger als Munition sind Benzinkanister. Im Herzen des Bunkers befindet sich nicht nur eure einzige wirkliche Zuflucht vor dem aggressiven Gegner inklusive eurem einzigen Speicherpunkt (ausser ihr nehmt es gemütlicher und spielt auf "Einfach", denn dort könnt ihr an mehreren Orten speichern) und einer Lagerkiste für Items die nicht in euer begrenztes Inventar passen, sondern auch der Generator, welcher den kompletten Bunker mit Strom versorgt. Sobald das Benzin alle ist, gehen in der ganzen Anlage die Lichter aus. Leider ist das Licht genau das, was das Monster zumindest ansatzweise im Zaum hält. Ist es erst einmal aus, fängt es an, sich frei zu bewegen und Jagd auf einen zu machen. Um in der Dunkelheit einigermassen zurecht zu kommen, hat man zwar eine Taschenlampe, aber diese hat mehr Nach- als Vorteile. Damit sie überhaupt für eine begrenzte Zeit anfängt zu funktionieren, bevor sie automatisch wieder aus geht, muss man sie für mehrere Sekunden von Hand ankurbeln. Das wiederum verursacht Lärm und von dem fühlt sich das Monster fast so angezogen wie von Blut.
Fast alles im Spiel hat mehrere Verwendungsmöglichkeiten oder Vor- und Nachteile. Dieser rote Faden zieht sich durch das ganze Spiel und ist der Grund, warum es so gut funktioniert. Der eigentliche Spielablauf ist nämlich leider ziemlich altbacken. Findet einen Hebel, um Zugang zu einem neuen Bereich zu erhalten, wo man einen Code für eine Tür erhält, hinter welcher man einen Bolzenschneider findet, mit welchem man wiederum einen Spind öffnen kann, wo man einen… Ich glaube der Punkt ist klar und es geht immer gleich weiter, bis die Credits rollen. Die künstliche Intelligenz der Bestie lässt, zumindest auf dem von mir gespielten normalen Schwierigkeitsgrad, ein wenig zu wünschen übrig. Versteht mich nicht falsch, sobald sie aufgetaucht ist, habe ich mich jedes Mal fast eingenässt. Man kann es aber immer wieder auf die gleiche Weise überlisten oder sich am gleichen Ort verstecken, solange man seine Taschenlampe einpackt und keinen Lärm verursacht. Manchmal kann man auch hören, wie das Monster irgendwo in der Umgebung in eine Falle tappt, von der man noch gar nicht wusste, dass sie existiert. Das ist zwar von der Idee her interessant, sorgt aber auch für mehr Ruhezeit, die man gar nicht verdient.
Horror und Terror entstehen nicht durch die schiere Präsenz eines furchteinflössenden Monsters. Es ist die Atmosphäre. Es sind die begrenzten Ressourcen. Es ist das Wissen, wie weit der Saferaum entfernt ist. Es ist das Nicht-Wissen, wie lange der Generator noch läuft, bevor es plötzlich dunkel wird (man könnte zwar eine Stoppuhr mitnehmen um zu timen, wann das passiert, aber ich gebe doch dafür keinen der wenigen Inventarslots auf!). Die Grafik an sich haut zwar niemanden vom Hocker, aber der Look und das Design dahinter sind mehr als gut gelungen. Während das Sounddesign und dessen Wirkung locker mit Entwicklerteams, die zehnmal so gross sind, mithalten kann, ist die englische Sprachausgabe leider nicht in der gleichen Klasse. Die französischen Akzente der Hauptfiguren konnten mich so gar nicht überzeugen.
Fazit:
Die Entwickler haben mit Amnesia: The Bunker etwas gewagt und dieses Wagnis ist fast vollständig aufgegangen. Anstatt einer bewährten Formel zu folgen wurde wieder einmal eine eigene Art von Horror produziert. Trotz einiger Unzulänglichkeiten, hauptsächlich in technischen Aspekten, kann es für viele stressige Stunden sorgen. Und das meine ich natürlich nur auf die absolut beste Weise. Der Terror treibt den Puls nach oben und die Atmosphäre hält ihn dort. Wer auf diese Art von Spiel und Horror steht, darf sich Amnesia: The Bunker nicht entgehen lassen. Sogar ich bin inzwischen fast ein Fan der Marke, wenn sie mir nur nicht so viel Angst machen würde.
Amnesia: The Bunker ist für PC, Xbox Series X|S und PlayStation 5 erschienen. Wir haben uns das Spiel auf einer Xbox Series X angesehen, weil es derzeit im Game Pass enthalten ist. Das Test-Muster stammt von Frictional Games, wofür wir uns herzlich bedanken!
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