Als grosser Alien-Fan war ich schon früh von Tindalos Interactive's Aliens-Spiel angetan. Die Sache hatte allerdings gleich zwei Hacken. Erstens haben wir es hier nicht mit einem Actiongame zu tun, sondern vielmehr mit einer Neuinterpretation des taktischen Strategiegenres mit Basis- und Truppenverwaltung und das ist eigentlich so gar nicht mein Fall. Und zweitens hatte ich von „Tindalos“ noch nie etwas gehört. Zum Glück habe ich mir das Spiel trotzdem gegeben!
Aliens: Dark Descent spielt im Jahr 2198 und ist etwa 20 Jahre nach den Ereignissen von Alien 3 angesiedelt. Das Spiel beginnt auf einer Orbitalstation über dem Planeten Lethe, wo sich die stellvertretende Verwalterin Maeko Hayes Sorgen über eine beunruhigende Entwicklung in den unteren Decks macht. Jeder, der einen Alien-Film gesehen hat weiss, dass der Ärger an dieser Stelle gerade erst beginnt. Nachdem die Xenos im Tutorial-Level die Station überrennen und mein Charakter nur um Haaresbreite entkommt, finde ich mich kurz darauf an Bord der auf Lethe gestrandeten USS Otago wieder, einem Schiff der United States Colonial Marines und die einzige Hoffnung, den verseuchten Himmelskörper wieder lebend zu verlassen. Und so beginnt der wahre „Dunkle Abstieg“, der eine düstere Geschichte über Besessenheit, Konzerngier und eine noch nie dagewesene ausserirdische Bedrohung erzählt.
Das Gameplay ist eine interessante Mischung aus taktischem RPG, Base-Management und Echtzeitstrategie. Vor jedem Einsatz wähle ich bis zu fünf Colonial Marines und rüste sie mit Waffen und Items aus, bevor sie dann an einem bestimmten Punkt auf den grossen Karten abgesetzt werden. Die Planung vor jeder Mission ist wichtig, da bestimmte Klassen- oder Charaktereigenschaften mehr oder weniger gut zusammenspielen, was die Überlebenschancen beeinflusst. Gesteuert wird der Trupp als Einheit. Kontextbezogene Manöver wie „Türe öffnen“, „Kiste looten“ oder „Gun Turret aufstellen“ werden automatisch von einem der Mitglieder ausgeführt, der dafür am besten geeignet ist. Ich muss also nur Befehle geben und fühle mich dabei wie der schweissgebadete Lieutenant S. Gorman aus dem Aliens-Film von 1986.
In den weitläufigen Arealen gibt’s eine stattliche Anzahl an sekundären und jeweils ein primäres Ziel – und sehr viel Freiheit, in welcher Reihenfolge man diese erfüllt. Ist das Hauptziel erledigt, geht’s ins nächste Level. Erfreulicherweise darf man seinen Trupp zu jeder Zeit extrahieren, in der Basis neu ausrüsten und dann frisch gestärkt die nächsten Ziele in Angriff nehmen. Man besucht die Karten also alle mehrmals. Dabei sei zu bedenken, dass jedes Mal beim Re-Deploy ein Tag verstreicht und somit die Alien-Bedrohung auf dem Planeten Lethe grösser wird. Das bedeutet auch, dass vielleicht eine Entscheidung, die ich beim letzten Einsatz getroffen habe, Einfluss auf die nächsten Einsätze haben kann. Wenn ich also zuvor sämtliche Munitionskisten eines Level gelootet habe, dürfte in einem späteren Einsatz Munitionsmangel an der Tagesordnung sein, da die Kisten nicht mehr gefüllt werden und mein Trupp nur eine bestimmte Anzahl Munition mitnehmen kann. Die Vorräte zu schonen und gleichzeitig die Missionen zu erfüllen, dabei Ressourcen zu sammeln und auch noch Kolonisten zu retten ist ein schwieriges Unterfangen. Zugleich werden Fehler hart bestraft, Stichwort Permadeath. Stirbt ein Marine, ist er für immer verloren, mit samt seinen EXPs, Upgrades, Ausrüstung und Fähigkeiten. Das tut weh und ist brutal, macht aber Sinn und führt dazu, dass man sich gut um seine Leute kümmert und eine richtiggehende Beziehung aufbauen kann. Da passt es gut, dass ich jeden einzelnen Marine individualisieren darf (Aussehen, Gender, Hautfarbe, Narben, Tattoos, Stimme, Rüstung, Waffen, Name, Perks etc.).
Wie unbarmherzig Aliens: Dark Descent sein kann, macht sich auch in verschiedenen Bereichen des Gameplays bemerkbar. Der Angriff ist nämlich nicht unbedingt die beste Verteidigung. Einsätze beginnen jeweils mit dem Status „Easy“. Bleibe ich unentdeckt, gehe Schusswechseln aus dem Weg und verstecke mich in Situationen, wenn mein Bewegungsmelder zu piepen beginnt, dann bleibt das auch so. Werde ich aber von einem Alien entdeckt, beginnt die Kampfstufe. In dieser Phase schickt das Nest Drohnen und Facehugger und sucht am Ort des Geschehens nach mir. Töte ich in dieser Phase zu viele Aliens, greift schliesslich die ganze Horde an. Dann kann ich mich eigentlich nur noch verschanzen, eine Killzone einrichten und hoffen, dass die Munition für den bevorstehenden Ansturm ausreicht. Überlebe ich, wird die Aggressivität der Gegner für's nächste Zusammentreffen erhöht und das Nest schickt mit grösserer Wahrscheinlichkeit auch stärkere Gegner. Sobald die höchste Aggressionsstufe erreicht ist, sollte man tunlichst das Weite suchen, in den ARC (Armored Recon Carrier) steigen und seinen Trupp extrahieren. Während der Scharmüzel wird mein Team zudem ständig Stress ausgesetzt, wobei jede Stressstufe zufällige Schwächungseffekte mit sich bringt, bis die Kameraden schliesslich komplett durchdrehen ("Game Over, Man! Game Over!"). Diese Debuffs stapeln sich schnell und mein Squad kann so von einem eiskalten Team von Killern in Windeseile zu einem heulenden Haufen Munitionsverschwendern mutieren. Um Stress abzubauen werden (begrenzt) Medikamente verabreicht oder wir verbarrikadieren uns in einem Raum, indem wir alle Zugänge verschweissen und gönnen uns so eine Verschnaufpause. Ausruhen ist unglaublich hilfreich und kann zudem bestimmte Buffs auslösen.
Diese Art von Gameplay führt zu intensiven, äusserst spannenden Momenten, gerade wenn etwas schief geht. Gut, dass man in der Hitze des Gefechts auf eine Vielzahl von Spezialfähigkeiten zugreifen kann. Mittels R2 öffne ich das Fähigkeitenmenü, worauf die Zeit verlangsamt (oder wahlweise gestoppt) wird. Jetzt darf ich in Ruhe den Einsatz von Flammen- und Granatwerfern anordnen, Selbstschussanlagen aufstellen, Minen oder Leuchtkugeln verteilen, Sperr- und Deckungsfeuer auslösen und vieles mehr. Verwundete Marines werden mit Medkits von ihren Kameraden geheilt. Sollte sich aber ein Facehugger festsetzen oder einer meiner Leute gar von einer Drohne entführt werden, muss ich schnell handeln, sonst ist der Kollege verloren! Nicht selten fliegt auch säurehaltiges Blut durch die Gegend und es werden sogar Gliedmassen meiner Soldaten abgetrennt, die dann später in der Basis durch high-tech Protesen ersetzt werden. In solchen Fällen muss der Verwundete auf den Schultern zum Extraktionspunkt geschleppt werden. Während der Einsätze sammle ich Ressourcen, Text- und Audiologs sowie Xeno-Tech. All das wird zu Hause in der Basis in Upgrades, neue Waffen und hilfreiche Tools (wie etwa einen "Facehugger Removal Kit") investiert. Erfolgreiche Marines steigen im Level auf und schalten so neue Perks, Waffen und Fähigkeiten frei.
Aliens: Dark Descent fängt die Stimmung und Atmosphäre des zweiten Alien Films nahezu perfekt ein, inklusiver der kultigen Musik. Natürlich dürft ihr von einem Indie-Entwickler keine Triple-A Präsentation erwarten, aber die Optik hat mir trotzdem sehr gut gefallen. Der grösste Teil spielt in dunklen Raumschiffen und Gebäuden mit fast klaustrophobischen Gängen, die nur durch den Lichtkegel der Taschenlampen erhellt wird. Die Geräusche der Schritte, das Brummen der Maschinen und das entferne Zischen der Xenomorphs sind äusserst stimmungsvoll gemacht. Ich habe mich gefühlt, als wär ich in Hadleys Hope. Man merkt, dass Tindalos die Materie gut studiert hat und sich mit diesem Spiel vor allem an Fans richtet. Zur Auswahl stehen übrigens ein (ziemlich ruckeliger) Qualitäts-Modus in 4k und ein butterweicher 60fps Performance Modus mit 1440p, der übrigens fast genauso gut aussieht.
Es wäre schon fast ein Wunder, wenn im Jahr 2023 ein Spiel ohne Bugs erscheint und leider hat auch Aliens: Dark Descent so einige davon. Viele werden sicherlich mit einem der nächsten Patches gefixt und sind nicht der Rede wert. Einige sind aber extrem nervig. Ein ganz spezieller Bug hat mir das Spielerlebnis fast vermiest. Das tut speziell weh, weil das Grundgerüst ein wirklich gutes, fesselndes Spiel darstellt, ein Rohdiamant, wenn man so will. Der ärgerlichste Bug hat dann auch noch mit einer der coolsten Spielmechaniken zu tun: Da für jede Aufgabe automatisch das dafür beste Squad-Mitglied ausgewählt wird, muss man eigentlich nur die Gesamtposition des Trupps und dessen Ziele im Auge behalten, ohne Micromanagement zu betreiben. Schön, wenn es funktioniert. Schlecht, wenn es das nicht tut. Verkackt man eine Situation und ein Mitglied liegt plötzlich verletzt am Boden und kann somit seiner zuvor zugewiesenen Aufgabe nicht mehr nachkommen, darf man nicht etwa einen anderen bestimmen, nein, man kann die Aufgabe dann einfach schlicht und ergreifend nicht mehr erledigen! Die einzige Lösung ist, den letzten Checkpoint neu zu laden. Diese Art von Sperre liesse sich vermeiden, wenn man manuell festlegen könnte, wer die einzelnen Aufgaben übernimmt oder zumindest automatisch ein Ersatzmann/Frau bestimmt würde. Dann hätten wir allerdings wieder das verhasste Micromanagement, auf welches ich als Konsolen-Spieler und Controller-Nutzer liebend gern verzichte. Ich hoffe schwer, dass man da noch eine Lösung findet, wie auch für die kleineren Fehlerchen wie zu spät ladende Texturen, Soundfehler, nervige und konstante Satzwiederholungen („Let’s Move People!!!“) oder Wegfindungsprobleme meiner Trupp Mitglieder.
Fazit:
We’re in the pipe, five by five! Ich habe nichts erwartet und war wohl auch deshalb äusserst positiv überrascht von Aliens: Dark Descent. Mein innerer Fanboy hat sich ja gewünscht, dass das Spiel gut wird, aber wirklich geglaubt habt ich es nicht. Wie erwähnt ist das Genre der RTS eigentlich überhaupt nicht meins, trotzdem hatte ich sehr viel Spass mit diesem für mich neuartigen Spielerlebnis. Die Geschichte ist packend, das Gameplay fesselnd und die Steuerung mit Controller funktioniert nach einer kurzen Gewöhnungsphase überraschend gut! Dank eines „Story“-Schwierigkeitsgrades haben selbst Genre-Anfänger eine gute Chance, das Ende zu erleben. Klar bin ich als RTS-Noob tausend Tode gestorben, aber dank schnellem Speichermanagement, massig Auto Checkpoints und meinem persönlichen Ehrgeiz und Fan-Herzen war die Motivation stets auf höchstem Niveau. Die Mischung aus Spannung, wenn ich unentdeckt bleibe, und Angst und Aufregung, wenn der „Hive“ angreift, hat mich bereits über 20 Stunden gekostet. Das „Film-Feeling“ ist perfekt! Das Ende scheint aber noch weit entfernt. Die Missionen sind umfangreich, die Spielgeschwindigkeit eher gemächlich und so rechne ich locker mit bis zu 40 Stunden, bis ich die Credits zu Gesicht bekomme. Für CHF 39.90 ist Aliens: Dark Descent ein Schnäppchen und ein Muss für alle, die sich für Aliens oder Strategiespiele interessieren. Ich würde es sogar als einen der Überraschungshits dieses Jahres und eines der besten Alien-Spiele bezeichnen. Gäbe es ein paar Bugs weniger, wäre auch die Wertung höher. So, und jetzt muss ich wieder los! Auf Lethe wollen noch ein paar Xenos flambiert werden. Let’s Rock!
Wir haben uns Aliens: Dark Descent selbst gekauft und auf einer Xbox Series X getestet. Das Spiel ist auch für PC und PS5 erhältlich.
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