Hattet ihr jemals das Gefühl, als würde euer Leben von jemand anderem gelenkt? Oder, dass ihr einfach nur an den seidenen Fäden des Schicksals hängt, ohne Einfluss darauf zu haben, wohin die Reise geht? Unwahrscheinlich, dass es euch dabei so wie Abby aus A Juggler’s Tale ergeht, denn sie hängt wortwörtlich an den Fäden eines Puppenspielers.
Für Abby, das kleine Mädchen, und Urs, den freundlichen Bären, ist das Leben als Zirkusattraktion nicht besonders schön. Sie können zwar vor Publikum ihre Show aufführen und im Applaus baden, aber sobald der Vorhang fällt, sperrt sie der fiese Direktor bis zum nächsten Auftritt in Käfige. Eines Tages hat Abby es einfach satt und flieht aus dem Zirkus. Ihren Freund Urs muss sie leider zurücklassen. Begleitet wird sie vom Puppenspieler und Erzähler der Geschichte, denn obwohl man als Spieler Abby kontrolliert, hängt sie immer noch an seinen Fäden. Er rettet sie, wenn sie ins Wasser fällt und kommentiert jeden Schritt und jede Aktion. Schnell wird klar, dass er für Abby nicht das Beste im Sinn hat und jetzt es liegt an uns zu versuchen, ihr echte Freiheit zu bescheren.
Teil eines Puppentheaters zu sein ist dabei ein schöner Aufhänger, sowohl für die Geschichte, als auch fürs Gameplay selbst. Wie bereits erwähnt kontrolliert man Abby selber und nicht die Fäden, an denen sie hängt. Das gibt der Geschichte ein wirklich besonderes Feeling, als wäre man auf einer Mission Abby zu befreien, denn der Erzähler fängt bald an gegen sie - und damit uns - zu arbeiten.
A Juggler’s Tale ist ein wirklich schöner und sehr süsser 2D-Plattformer mit einer guten Dosis Puzzles. Die Fäden, an denen unsere kleine Heldin hängt, haben effektiv auch Einfluss auf das Spiel selber. Will man beispielsweise durch einen ausgehöhlten Baumstamm kriechen, weil einem der Regen ständig die Fackel auslöscht, geht das nicht so ohne weiteres. Die Fäden bleiben hängen und statt dessen muss eine andere Lösung gefunden werden. Die Idee, diese Mechanik einzubauen, ergibt nicht nur spielerisch viel Sinn, sondern auch thematisch und das ist klar eine der grossen Stärke des Spiels. In einem anderen Medium wäre es nicht möglich, die hier präsentierte Geschichte so zu erzählen. Leider wird die Idee nicht konsequent umgesetzt, denn allzu oft kommt man in Situationen, in denen die Fäden keinen grossen Einfluss zu haben scheinen.
Allgemein sind das Plattforming und die Rätsel eher seicht gehalten. So gut wie alle Gegenstände, mit denen man irgendwie interagieren kann, sind in der Spielwelt mit roter Farbe gekennzeichnet. Kommt man an einen Punkt, an dem der Weg irgendwie versperrt ist, sucht man einfach nach etwas Rotem und interagiert damit. Dann muss man nur noch kurz überlegen, wie man das Item einsetzen kann und Schwupps geht's auch schon weiter. Herausfordernd ist das nicht, was aber nicht zwingend negativ zu bewerten ist. Der Fokus liegt hier auf der Narrative und die ist für die Spielzeit von etwas mehr als 2 Stunden gut gelungen.
Die deutschen Entwickler von Kaleidoscube haben uns ein schönes Geschenk gemacht, denn neben einer englischen Sprachausgabe wurde das Spiel auch komplett in Deutsch vertont. Werner Wilkening, Schauspieler und professioneller Sprecher, macht als Erzähler alles richtig. Er nimmt einen auf eine emotionale und spannende Geschichte mit, was dem Titel für mich persönlich viel Charme verleiht. Ohne ihn wäre mein Interesse deutlich geringer gewesen.
Leider gibt es einige technische Probleme, die ich erwähnen muss. Während des Playthroughs kam es insgesamt drei Mal vor, dass einer der bösen Banditen irgendwo in der Spielwelt hängen blieb und somit ein Vorankommen unmöglich wurde. Auch ist die Interaktion mit einigen Gegenstände ein wenig arg fummelig. An einer Stelle war ich mir sicher etwas falsch zu machen, nur weil ich nicht exakt dort stand, wo ich sein sollte, um einen Greifhaken zu benutzen. Glücklicherweise ist das Spiel sehr grosszügig mit seinen Kontrollpunkten. Schnell ist man wieder an der Stelle, an der man stecken blieb. Schön ist es trotzdem nicht. Sehr schade ist auch, dass mehrmals der Ladebildschirm für einen neuen Abschnitt aufpoppt, bevor die Zwischensequenz fertig ist, wodurch der Erzähler immer mal wieder im laufenden Satz unterbrochen wird. Für ein Spiel mit so geringem Umfang sind das zu viele Unschönheiten.
Fazit:
Dank einem fantastischen Sprecher und einer packenden Geschichte unterhält A Juggler’s Tale über die gesamte Spielzeit. Mehr als einmal konnte es mir ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern und mich zum Nachdenken anregen. Eine derartige Story kommt wohl nur in einem Videospiel wirklich zur Geltung. Gleichzeitig ist der spielerische Aspekt hier eher mau. Auch die technischen Probleme und Unschönheiten bremsen die Euphorie. Abby auf ihrem Abenteuer zu begleiten ist aber auf keinen Fall verschwendete Zeit, solange man sich bewusst ist, auf was man sich hier einlässt.
Wir haben A Juggler's Tale auf Playstation 5 getestet, es ist aber auch für PS4, Xbox One, Xbox Series, PC und Nintendo Switch digital erhältlich. Eine Retail-Fassung mit Disk gibt es nicht. Das Test-Muster stammt von Publisher Future Friend Games.
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