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AutorenbildSascha Böhme

IGS PolyGame Master – Die grosse Neo Geo Konkurrenz aus Taiwan

Wer in den 90ern oder frühen 2000er Jahren immer noch in Spielhallen abgehangen hat – so wie ich – dem werden die Begriffe "IGS" oder "PGM" vielleicht geläufig sein. Anhänger qualitativ hochkarätiger 2D Action-Games wissen die Spiele der taiwanesischen Software-Schmiede bis heute zu schätzen. Wer mit diesen Abkürzungen nichts anfangen kann: Schande über euer Haupt! Aber keine Sorge, hier erfahrt ihr, warum so viele Arcade-Spiele aus diesem Hause einen Platz im Arcade-Olymp verdient haben.


IGS PolyGame Master Arcade Special Retro Gaming

Arcade-Spiele waren in den 80er und 90er Jahren das Nonplusultra. Was wir damals auf heimischen Geräten wie SNES oder Mega Drive in Sachen Arcade-Games serviert bekamen waren halt einfach "nur" abgespeckte Versionen ihrer Spielhallen-Genossen. Die Hardware der frühen Heim-Konsolen war einfach nicht auf dem gleichen Level.


Doch dann kam im April 1990 (bzw. 1991 in Europa) mit dem Neo Geo von SNK die grosse Wende. Das "Multi Video System" (kurz: MVS) von SNK bot in der Halle wie zu Hause (dort hiess das System "AES" für "Advanced Entertainment System") eine identische Hardware und somit auch eine identische Spielerfahrung. Nicht umsonst ist das Neo Geo bis heute eines der beliebtesten Retro-Systeme und für die schwarze Kiste sind einige der besten Action- und Fighting-Games erschienen, die sich auch heute noch zeigen können.


Vergleich zwischen Neo Geo MVS Multi Video System und IGS PGM PolyGame Master System
Zum Verwechseln ähnlich: Das PGM System & Game (links) und das Neo Geo MVS System (rechts)

Das Potential und der Erfolg des Neo Geo MVS ging auch an der taiwanesischen Software-Schmiede IGS (kurz: International Games Systems) nicht spurlos vorbei. Der Markt für Arcade-Spiele bot damals enormes Potenzial. Die meisten Produkte im mittleren bis oberen Preissegment befanden sich jedoch in den Händen grosser japanischer Spieleentwickler wie SEGA, Capcom oder eben SNK. Als Reaktion darauf trat IGS 1991 mit seiner eigenen Marke und der unabhängigen Forschung und Entwicklung von Schlüsseltechnologien in den Markt ein, auf dem Japan lange Zeit ein Monopol hatte.


Das Unternehmen hatte sich zum Ziel gesetzt, das bekannteste Arcade Entwicklungsunternehmen in der chinesischen Region zu werden und ganz nebenbei dem Neo Geo Paroli zu bieten. Zuerst wurden nur Spiele produziert bis schliesslich 1996 die eigene 2D-Arcade-Konsole mit dem Namen "PolyGame Master" (kurz: PGM) erfolgreich eingeführt wurde.


Martial Masters - Das beste Kampfspiel von IGS auf dem PGM
Schöne Sprites, hervorragende Animationen, tolle Spielbarkeit: Martial Masters von IGS auf dem PGM

IGS war neben japanischen Unternehmen wie SNK der einzige grosse Spieleentwickler, der im asiatischen Raum über ein eigenes Arcade-System verfügte. Auf der Grundlage dieser Spieleplattform entwickelte man nicht nur erfolgreich eine Vielzahl von ausgezeichneten Spielen, sondern etablierte auch eine solide Grundlage für zukünftige plattformübergreifende Spieleportierungen z.B. auf Sony’s PlayStation Konsole. In den frühen 2000ern folgten mit dem PGM2 und PGM3 sogar zwei Hardware-Revisionen. In dieser Phase brachte IGS kontinuierlich absolut hervorragende Spiele auf den Markt, die nicht nur von Kennern bis heute geschätzt werden. Nachfolgend möchte ich euch die Besten (oder vielmehr Wichtigsten) davon vorstellen.


Alien Challenge (1994)

Das ziemlich obskure Alien Challenge aus dem Jahre 1994 war IGS’ aller erster Versuch am Fighting-Game Genre, der so ziemlich in die Hose ging. Das Spiel lief noch nicht auf dem PGM System, das ja erst 1996 erschien. Der Grund für das Schlamassel war aber nicht die geeignete Hardware. Furzende Clowns, ein französischer Ninja und ein Beagle Werwolf waren nicht gerade das, was man damals in einem Kampfspiel sehen wollte. Abseits des Comedy-Faktors bot Alien Challenge absolut nichts, weder eine hübsche Grafik, noch eine besonders gute Spielbarkeit, weswegen ich das Spiel auch nur der Komplettheit und Komik wegen hier kurz vorstelle.



Oriental Legend (1997)

Oriental Legend war das erste solide sidescrolling Beat’em Up und basiert lose auf dem chinesischen Literaturklassiker „Reise nach Westen“. Ähnlich wie im Roman sind die Spielercharaktere verschiedene Schüler des buddhistischen Pilger-Mönchs Xuanzang. Ihre Reise in den Westen wird jäh unterbrochen, als Xuanzang von Dämonen entführt wird, die sich an seinem Fleisch laben wollen. Die Schüler müssen sich durch verschiedene Orte kämpfen, die direkt aus dem Roman stammen, darunter die Höhle der gehörnten Könige, die Tiefen des Himmelsflusses, die Höhle des Seidennetzes und der Berg der Flammen, der von Dämonen und Monstern bevölkert ist.



Das Spiel erschien ein Jahr später noch als "Special" Version mit neuen Moves und erhielt 2004 eine offizielle Fortsetzung (Oriental Legend Super Plus), die viele Elemente der Handlung des Originals aufgreift, einschliesslich neu gestalteter Level und Endgegner und neuer Charaktere.


The Killing Blade (1998)

Die Entwicklung des zweiten Fighting-Games von IGS dauerte mehr als zwei Jahre, was für damalige Verhältnisse ziemlich lang war. Angesichts des Alien-Challenge-Flops aber nicht überraschend. Inspiration holte man sich bei "Dynasty Wars" und der "The Last Blade"-Serie von SNK.


Die Invasion der Mongolen in China hat das Land in Schutt und Asche gelegt. Fünf Sekten, die aus zwölf Kriegern bestehen, kämpfen gegeneinander und schliesslich gegen die Urheber des Krieges: die Zwillings-Tartaren und den Lord Wizard. Der Sieg würde ihnen den Titel „Überlegener Kampfpaladin” einbringen, womit sie China erobern, Ordnung schaffen und ein neues Reich errichten würden. Vom Gameplay her ähnelt The Killing Blade wie erwähnt sehr der Last Blade-Reihe, einschliesslich Waffen- und Trittattacken, Kombos und Power-Charging.



2005 erhielt das Spiel mit The Killing Blade Plus einen offiziellen Nachfolger, der spielerisch einiges besser war, 2 zusätzliche Charaktere und einen Team-Modus mit 3 Kämpfern bot.


Knights of Valour (1999)

Ich liebe die Knights of Valour Serie, speziell die neueren Teile! Knights of Valour ist das zweite grosse Beat’em Up von IGS, diesmal mit Anlehnung an den chinesischen Roman „Romance of the Three Kingdoms“ aus dem 14. Jahrhundert. Spieler prügeln sich mit fünf bekannten Tiger-Generälen, die magische Fähigkeiten besitzen, durch historische Levels, um das Land zum Ende der Han-Dynasty hin zu vereinen. Die Serie war äusserst erfolgreich und umfasst elf Spiele, darunter fünf Haupttitel: Knights of Valour (1999), Knights of Valour 2 (2000), Knights of Valour: The Seven Spirits (2003), Knights of Valour 3 (2011) und das neu aufgelegte Knights of Valour 3 HD aus dem Jahr 2015. Bis auf zwei Ausnahmen liefen alle Spiele der Serie auf dem PGM-System bzw. dessen Nachfolger-Modelle PGM2 und 3. Die Ausnahmen waren KOV The Seven Spirits, das auf Atomiswave Hardware von Sammy Corporation veröffentlicht wurde und die 3D-Version von Knights of Valour, die online für PlayStation 4 und Mobilgeräte erschien.



Im April 2023 veröffentlichte IGS die IGS Classic Arcade Collection auf dem Nintendo Switch, eine Sammlung von acht Spielen, die ursprünglich für den IGS PolyGame Master entwickelt wurden. Zu der Sammlung gehören auch vier Knights of Valour-Spiele.


Martial Masters (2001)

Martial Masters ist das dritte grosse Fighting Game und in meinen Augen das beste Kampfspiel von IGS. Die Kulisse und die 12 Kämpfer sind von berühmten Hong Kong-Movies inspiriert, insbesondere von Once Upon a Time in China, Drunken Master und Operation Scorpio. Das Spiel erinnert stark an Neo Geo Kampfspiele. Es wird ebenso mit 4-Buttons gespielt (wie eigentlich fast alle IGS Games) und bietet eine beeindruckende 2D-Grafik mit super-flüssigen Animationen.



Die einzige Möglichkeit Martial Masters abseits der Spielhalle zu geniessen sind Emulatoren oder die bereits erwähnte IGS Classic Arcade Collection auf der Nintendo Switch.


DoDonPachi II: Bee Storm (2001)

Einige von euch werden stutzen, denn eigentlich ist doch der japanische Entwickler CAVE für DoDonPachi bzw. die DonPachi-Serie verantwortlich. DoDonPachi II: Bee Storm wurde aber nicht von den ehemaligen Toaplan Leuten in Tokyo entwickelt sondern von IGS. IGS erwarb die Lizenz für den Namen DoDonPachi für ein eigenes, neues Spiel, das auf der PGM-Hardware erscheinen sollte. Das Spiel wurde zunächst nur in China und Korea verkauft, bevor es auch in Japan erschien. Warum also hatte sich CAVE zu dieser Lizenzierung entschlossen? Nun, zu dieser Zeit überlegte CAVE, sich aus dem Arcade-Geschäft zurückzuziehen, da es an Popularität verlor und es schwierig wurde, Vorlagen für ihre Shooter zu finden (Progear no Arashi wäre ihr letztes Spiel gewesen). Der Erfolg von "Bee Storm" überzeugte CAVE jedoch, das Geschäft mit Arcade-Spielen fortzusetzen. Wir haben es also IGS zu verdanken, dass CAVE später noch weitere DonPachi-Spiele veröffentlichte.



Demon Front (2002)

Demon Front ist mein absolutes Lieblingsspiel von IGS! Es eine "Metal Slug Kopie" zu nennen würde dem Spiel aber nicht gerecht werden und wäre ziemlich unfair. Demon Front bringt einfach so viel eigenen Scharm und frische Gameplay-Elemente mit, gepaart mit einer hervorragenden Pixel-Optik, die dem grossen Vorbild in nichts nachsteht. Im Gegensatz zu Metal Slug fehlen jedoch die Fahrzeuge. Dafür bringt jeder der vier Charaktere ein Haustier mit, das zum Angriff auf Feinde oder als Schild eingesetzt werden kann. Es gibt drei Tasten: Schiessen, Springen und Schild. Wenn du die Schiesstaste gedrückt hältst, lädt sich das Haustier auf und startet beim Loslassen einen verheerenden stationären Angriff. Die Schildtaste verwandelt das Haustier in einen permanenten Schutzschild, der solange hält, bis der Spieler die Taste erneut drückt oder das Haustier so stark beschädigt wird, dass es verschwindet. Bei Nahkampfangriffen und Angriffen mit dem Haustier werden Herzen freigesetzt, die die Schildstärke erhöhen. Ein wirklich gelungenes Konzept!



Demont Front war bis im April 2023 nur in der Spielhalle zu finden. Glücklicherweise ist auch dieses Spiel Teil der IGS Classic Arcade Collection auf der Nintendo Switch.


The Gladiator – Road of the Sword (2003)

The Gladiator hat nichts mit dem gleichnamigen Kino-Hit von Ridley Scott zu tun. Es ist ein weiteres 2D sidescrolling Beat’em Up, bei dem die Spieler in die Rolle fünf unterschiedlicher Helden schlüpfen, die sich auf die Suche nach einem heiligen Schwert begeben, das am Ende der Song-Dynastie zwei Adelsfamilien in den Untergang riss. Jeder Charakter hat seine eigenen Motive, die auf Rache, persönlichen Gewinn oder einfach auf den Besitz des Schwertes hinauslaufen. Das besondere an The Gladitor sind die vielen Special-Moves und das Nahrungs-System. Es spielt sich erfrischend anders, als andere Beat'em Ups aus dieser Zeit. Im Arcade-Story-Modus können drei verschiedene Pfade (zwei normale und ein einfacher) gewählt werden. Der Spieler kann verschiedene Tritte, Schläge und viele Fern-/Magieangriffe ausführen. Falls euch das etwas an SNK’s Sengoku 3 erinnert, ist das kein Zufall sondern durchaus beabsichtigt!



Spectral VS Generation (2005)

Das Crossover Kampfspiel ist eine Zusammenarbeit zwischen IGS und dem japanischen Entwickler Idea Factory mit Sitz in Tokyo. Spectral VS Generation basiert, wie der Name schon impliziert, auf den beiden RPG-Spielen Spectral Force und Generation of Chaos, die beide von Idea Factory entwickelt wurden und in Japan sehr populär sind. Fun Fact für Insider: Idea Factory setzt sich aus vielen ehemaligen Data East Entwicklern zusammen.


Das Spiel wurde ursprünglich 2005 in Spielhallen auf dem PGM-System veröffentlicht und erschien später, 2007, auf der PlayStation2 und der PlayStation Portable. Spectral VS Generation ist ein 4-Tasten-Spiel mit einzigartigen Ansätzen und legt den Schwerpunkt auf Kombos und Zeitlupen-Mechaniken. Beim Spielen fühle ich mich persönlich immer wieder an die Samurai Shodown Serie erinnert.



Somit komme ich hier auch schon zum Ende meiner kleinen IGS-Tour. Wer es noch nicht gemerkt hat; in meinem Retro-Herzen hält der taiwanesische Entwickler einen ganz speziellen Platz inne, dessen Spiele ich leider viel zu spät für mich entdeckt habe, insbesondere Demon Front und Martial Masters. Aber auch Knights of Valour 2 und 3 gehören zu meinen absoluten Lieblingen, die ich immer wieder gerne spiele.


Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel die Neugier von euch wecken konnte und empfehle allen Interessierten an dieser Stelle noch einmal die hervorragende IGS Classic Arcade Collection für die Nintendo Switch, wo ihr die besten IGS Spiele selber ausprobieren könnt.


Eine vollständige Liste aller IGS Games findet ihr übrigens auf der GamesDataBase Webseite. Ich wünsche fröhliches Gekloppe!


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